Bedrohung
er hochgradig nervös war. Nun merkten alle, dass sie auf der hell erleuchteten Plattform dreihundert Meter über London ein Ziel boten. Alles drängte sich um die Fahrstühle, jeder wollte als Erster eine Fahrt nach unten ergattern.
Matt dagegen blieb vollständig ruhig. »Mach dir keine Sorgen, Gina, es kommt alles in Ordnung.«
Er zog seinen Dienstausweis und zeigte ihn einem der Sicherheitsmänner. »Können Sie mir sagen, was hier vorgeht? Ich bin Polizist.«
»Wir haben Informationen, dass jemand einen Anschlag auf das Gebäude plant«, flüsterte der Mann.
»Was für einen Anschlag?«
»Das wissen wir nicht, aber wir müssen alle so schnell wie möglich rausschaffen.«
Matt nickte. »Ich gehe hoch zur oberen Plattform und geleite die Leute nach unten.«
Er wandte sich an Gina und lächelte ihr aufmunternd zu.
»Geh rüber zu den Fahrstühlen. Und halte dich von den Fenstern fern. Ich bin gleich wieder bei dir.«
Und noch ehe sie etwas erwidern konnte, drehte er sich um und verschwand in der Menge.
52
19:45
Einen knappen Kilometer entfernt auf der Dachterrasse streifte Voorhess, der die Inspektion der Stinger abgeschlossen hatte, ein Paar Ohrenschützer über. Dann schob er die Kühleinheit in die Abschussvorrichtung und spritzte Argongas ein sowie einen chemischen Energiebeschleuniger, der der Rakete die nötige Schubkraft verlieh.
Die nun bereit war.
Voorhess ließ sich mit dem Rücken zur Südseite der Terrasse auf ein Knie nieder, wobei er darauf achtete, genug Spielraum für den Flammendurchschlag zu lassen. Dann legte er sich die Rakete auf die Schulter und hob die Abschussvorrichtung, bis sie auf die erleuchtete Aussichtsterrasse von The Shard gerichtet war.
»Ein wirklich netter Bau«, dachte Voorhess, der schon immer eine Schwäche für originelle Architektur gehabt hatte. »Ein Jammer, da ein Loch hineinzujagen.« Doch er tröstete sich mit dem Gedanken, dass der Schaden sicher schnell behoben werden würde und der Wolkenkratzer danach wie neu aussähe.
Diejenigen, die sich dort aufhielten, würden weniger Glück haben. Der drei Kilo schwere Sprengkopf würde in dem geschlossenen Raum, in dem sich die Gäste drängten, ein Massaker anrichten. Und das Schöne daran war, dass er sein Ziel nicht verfehlen konnte. Im Unterschied zu den Hubschraubern, die er abgeschossen hatte, hatte er ein festes Ziel vor sich – das Stockwerk, in dem die Party stattfand, war das einzige weit und breit, das Wärme ausstrahlte. Die Rakete würde schnurgerade darauf zusteuern.
Jetzt hatte er die Aussichtsplattform im Visier. Er konnte zwar nicht hineinsehen, und er hatte keine Ahnung, wen er treffen sollte, aber das interessierte ihn auch nicht. Sein Ziel war das Gebäude. Über nichts anderes machte er sich im Augenblick Gedanken.
Er hielt eine Weile inne, konzentrierte sich; das, was er gleich tun würde, würde weltweit für Schlagzeilen sorgen. Als er schließlich den Finger um den Abzugbügel legte und abdrückte, huschte ein zufriedenes Lächeln über sein Gesicht, während die Rakete mit einem hässlichen Zischen losflog.
Um ein möglichst weiträumiges Gebiet nach dem Pajero zu durchforsten, hatten Bolt und Tina sich von den beiden SEK -Vans getrennt und waren von der Long Lane in eine der Wohnstraßen abgebogen. Plötzlich hörte Tina ein schrilles, an eine Silvester-Rakete erinnerndes Geräusch. Als sie hochblickte, konnte sie einen dünnen Rauchstreifen erkennen, der in etwa zweihundert Metern Entfernung über die Häuser dahinjagte.
Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch ihre Augen folgten gebannt der Rakete, die einen Herzschlag lang am Himmel festgewachsen schien, ehe sie nach oben schoss und einen langen Kondensstreifen hinter sich herziehend direkt auf The Shard zuschwirrte.
Bolt machte eine Vollbremsung. Tina sprang aus dem Wagen und sah verblüfft zu, wie die Rakete auf ihr Ziel zuschoss. Sie schien eine Ewigkeit unterwegs zu sein, obwohl es in Wahrheit nur Sekunden gewesen sein dürften. Und dann schlug sie mit einem von einem grellen Blitz gefolgten Knall in die Aussichtsplattform ein, der noch unten auf der Straße widerhallte.
Sie waren zu spät gekommen.
53
19:46
Als die Rakete einschlug, lehnte Gina gerade am Rande des Gedränges nervöser Gäste an der Wand neben dem Aufzug.
Sie sah einen grellen Blitz auf sich zuschießen, und noch ehe sie reagieren oder auch nur irgendetwas einordnen konnte, gab es eine laute Explosion, gefolgt vom markerschütternden Klirren
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