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Beerensommer

Beerensommer

Titel: Beerensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Barth-Grözinger
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und sich für ein paar Kartoffeln hingaben. Er hatte Leute gesehen, die Ratten fingen, um sie zu verspeisen!
    Manchmal weinten die beiden kleinen Mädchen, Gretl und Emma, wenn sie vor lauter Hunger nicht einschlafen konnten. Für die Lebensmittelkarten bekam man kaum noch etwas und für den Schwarzmarkt, auf dem es noch alles gab, brauchte man Geld, viel Geld. Ein Glück, dass die Grunbacher wenigstens den Wald hatten.
    Eines Abends war Mühlbecks Ludwig in die Stadtmühle gekommen und hatte einen Korb Frösche mitgebracht, die sie dann brieten und verzehrten. Das war ein wahrer Festschmaus gewesen, obwohl an den Viechern nicht viel dran war.
    All das schoss Johannes durch den Kopf und er fügte schroff hinzu: »Du musst wirklich nicht ganz bei Trost sein, wenn du dir in Bezug auf den Krieg noch irgendwelche Hoffnungen machst und dir sogar wünschst, dass du auch daran teilnehmen kannst.«
    Begütigend nahm Friedrich Johannes’ Arm und drückte ihn kurz. »So hab ich es auch gar nicht gemeint. Ich wollte damit sagen, dass ich viel lieber an deiner statt in den Krieg gehen würde. Du bist für so etwas nicht geschaffen.«
    »Aber, Fritz, wer ist denn für so etwas schon geschaffen?« Johannes’ Stimme wurde leise und er fügte eindringlich hinzu: »Versprich mir, dich um die Ahne zu kümmern, wenn mir etwas passiert.«
    Stumm nickte Friedrich.
    »Ich hab in der letzten Zeit oft drüber nachgedacht, wie das sein wird. Ich habe gar nicht mal so große Angst vor dem Tod – dann ist es eben vorbei und es kommt wohl nicht mehr so viel. An die Hölle glaube ich jedenfalls nicht. Es ist uns hier auf der Erde schon dreckig genug gegangen. Wovor ich viel mehr Angst habe ...« Er stockte und suchte Friedrichs Blick, aber es war zu dunkel. An der angespannten Stille merkte er jedoch, dass Friedrich ihm genau zuhörte. »Also, wovor ich am meisten Angst habe, ist, dass ich so zurückkomme wie Stöckles Kurt oder der Karl Wiedemann!«
    Der Kurt hatte in einem kleinen französischen Nest Kaiser und Vaterland einen rechten Arm geopfert, er trug jetzt eine schlecht sitzende Prothese, die ständig scheuerte, und er schimpfte über die fünfzehn Reichsmark Invalidenrente, die ihm der Staat als »Dank« für den Arm gewährte und die hinten und vorne nicht reichten.
    Noch schlimmer hatte es Wiedemanns Karl getroffen, er hatte bei einem Gasangriff sein Augenlicht verloren!
    Dieses Gas – die Leute erzählten sich mit angehaltenem Atem davon, dieses Gas sollte ja eine richtige Wunderwaffe sein, dazu bestimmt, den baldigen Sieg herbeizuführen. Aber dann hatten auch die anderen Gas eingesetzt und der Karl war heimgekommen, eine Binde über die toten Augen gebunden, und da war das Getuschel schnell in verlegenes Schweigen übergegangen. Der Karl sprach mit niemandem, er saß nur noch auf der roh gezimmerten Bank vor dem Haus, eifrig umsorgt von der Mutter, die zunächst glücklich darüber war, dass ihr Einziger wieder zurückgekommen war. Doch dann, im zähen Fluss der Monate, kamen die verzagten Fragen, wie es denn weitergehen solle, und ihr Karl war auch so verändert, gar nicht mehr ihr Bub, und seine nächtlichen Schreie und Anflüge von Wahnsinn schreckten sogar die Nachbarn auf.
    Diese beiden, der Kurt und viel mehr noch der Karl, waren leibhaftige Schreckgespenster für Johannes geworden. Inbegriff einer Furcht, die schlimmer war als die Angst vor dem Tod!
    Nie mehr malen können, nie mehr sehen, keine Farben, keine Gesichter, nur noch ewige Dunkelheit!
     
    Sie erreichten das Dederer-Sägewerk, aus der großen Verandatür des Wohnhauses drang noch Licht und man hörte vereinzelte Stimmen. Johannes stieß Friedrich an. »Dein Chef feiert. Vielleicht Geschäftskunden. Sie haben jetzt gut zu tun.«
    Missmutig antwortete Friedrich: »Ich wünschte, es wäre so. Aber wahrscheinlich sind es nur ein paar Saufkumpane.«
    Er hatte Johannes nicht viel über seine Arbeit erzählt, sich nur ab und an bitter darüber beklagt, dass das Sägewerk bald in Grund und Boden heruntergewirtschaftet sei, wenn es mit dem alten Dederer so weiterging. Dass ihm Friedrich nicht alles erzählte, dass er seine innersten Gedanken bei sich behielt, das spürte Johannes, denn mit dem Sägewerk und dem alten Dederer war etwas, das Friedrich außerordentlich beschäftigte, das wusste er genau. Und merkwürdig genug war es auch gewesen, dass der Dederer gleich zu Anfang dem Friedrich ein Paar nagelneue feste Lederstiefel spendiert hatte.
    Friedrich und seine

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