Befehl von oben
rasiert, desinfiziert und in grüne Kittel mit einstelliger Nummer auf dem Rücken gesteckt worden. Die bewaffneten Aufseher führten sie zur Tür der Luftschleuse, hinter denen die Armeesanitäter waren, ergänzt durch den einzigen bewaffneten Wächter, der Abstand hielt, die Pistole in der behandschuhten Hand. Moudi ging wieder in den Sicherheitsraum, um sich das ganze übers Überwachungssystem anzuschauen. Auf den Schwarzweißmonitoren sah er sie den Flur entlangtrotten, die Blicke gingen neugierig nach rechts und links – zweifellos suchten sie nach einem Fluchtweg.
Alle Augen waren auf den Wächter gerichtet, der nie mehr als vier Meter entfernt war. Auf dem Weg wurde jedem Neuankömmling ein Plastikeimer mit verschiedenen einfachen Gerätschaften ausgehändigt – die Eimer waren ebenfalls numeriert.
Sie stutzen alle etwas, als sie die Sanitäter in ihren Schutzanzügen sahen, schlurften aber dennoch weiter. Erst am Eingang zum Behandlungsraum blieben sie stehen. Es mußte am Geruch gelegen haben oder auch an dem Anblick. Sie alle erfaßten die Situation zwar langsam, doch einer hatte endlich erkannt, daß dies, was immer es auch war …
Auf dem Monitor wies ein Sanitäter auf denjenigen, der im Türrahmen keinen Schritt mehr weiterging. Der Mann zögerte und brachte dann Einwände hervor. Einen Augenblick später schmiß er seinen Eimer auf den Boden und schüttelte die Faust, während die anderen schauten, was passieren würde. Dann tauchte der Sicherheitsbeamte aus der einen Bildecke auf, den Arm mit der gezückten Pistole ausgestreckt. Aus zwei Meter Entfernung schoß er – seltsam, den Schuß zu sehen, aber nicht zu hören – dem Verbrecher direkt ins Gesicht. Der Körper fiel auf den Fliesenboden, hinterließ ein Muster schwarzer Flecken an der grauen Wand. Der dabeistehende Sanitäter deutete auf einen der Gefangenen, der sofort den hingeschmissenen Eimer aufhob und ins Zimmer ging.
Mit dieser Gruppe würde es keine disziplinären Probleme mehr geben.
Moudi richtete den Blick auf den nächsten Monitor.
Der verfügte über eine Farbkamera. Das mußte so sein. Sie konnte auch geschwenkt und gezoomt werden. Moudi stellte sie auf das Bett in der Ecke ein, Patient eins. Der Neuankömmling mit der Eins am Rücken und am Eimer stand zuerst einfach am Fußende, den Eimer in der Hand, und wußte nicht, was er da vor sich hatte. Aus diesem Zimmer wurde auch der Ton übertragen, allerdings nur durch ein einziges, ungerichtetes Mikro, und das Sicherheitspersonal hatte schon lange den Regler herabgedreht, weil das Stöhnen, Winseln und Schreien sterbender Männer die Lauscher bedrückte. Der Glaubensabtrünnige war, wie vorherzusehen war, am schlimmsten dran. Er betete und versuchte sogar, diejenigen zu trösten, die er von seinem Bett aus erreichen konnte. Er hatte sogar Ansätze gemacht, einige zum Mitbeten zu bewegen, aber es waren die falschen Gebete gewesen, und seine Zimmergenossen waren von der Art, die selbst in bester Verfassung nicht zu Gott sprach.
Helfer eins blieb noch etwa eine Minute so stehen und blickte auf Patient eins herab, einen verurteilten Mörder, der am Knöchel ans Bett gekettet war. Moudi zoomte die Kamera näher heran und stellte fest, daß die Beinschellen die Haut durchgerieben hatten. Ein roter Fleck war auf der Matratze zurückgeblieben. Der Mann – der verurteilte Patient, verbesserte sich Moudi – wand sich langsam, und da erinnerte sich Helfer eins an seine Anweisungen. Er streifte sich die Plastikhandschuhe über, tränkte seinen Schwamm und fuhr damit dem Patienten über die Stirn. Moudi stellte die Kamera wieder auf Totale. Nacheinander folgten die anderen seinem Beispiel, und die Armeesanitäter zogen sich zurück.
Die Patienten würden nicht sehr ernsthaft betreut werden. Warum auch, da sie ihren Zweck für das Projekt bereits erfüllt hatten. Das erleichterte allen das Leben. Keine Infusionsschläuche anschließen, keine Spritzen aufziehen – und keine Kanülen, die einem Sorge bereiteten.
Durch die Ansteckung mit Ebola hatten sie bestätigt, das der Mayinga-Typ tatsächlich auf dem Luftweg übertragbar war, und nun blieb nur noch zu beweisen, daß der Virus durch den Vermehrungsprozeß nicht weniger virulent geworden war – und daß er durch den gleichen Zerstäubungsvorgang verbreitet werden konnte, der die erste Verbrechergruppe infiziert hatte. Die meisten Neuankömmlinge, sah er, verhielten sich den Anweisungen gemäß – aber schlecht, grob,
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