Begegnungen (Das Kleeblatt)
ohne jede weitere Erklärung. Zumindest hatte Adrians überraschende Bitte in Suse diesen Anschein erweckt. Sie hatte ihm den Gefallen getan, wenngleich dieser Name nicht unbedingt ihren eigenen Vorstellungen entsprochen hatte.
Gütiger Gott , ganz im Gegenteil! Ihr hatte dieser fürchterliche Name überhaupt nicht gefallen. Absolut nicht! Und, verdammt noch mal, hätte sie auch bloß andeutungsweise den Grund für Adrians Bitte geahnt, sie hätte sich mit Händen und Füßen gegen diesen Namen für ihren Sprössling gewehrt und ihn statt dessen Karl-Otto genannt!
Deshalb also war dieser Lackel fast geplatzt vor Stolz und Freude, als sie ihm Manuels Namen genannt hatte. Der sollte sich bloß nichts darauf einbilden!
Noch wusste sie nicht genau, worüber sie sich eigentlich mehr aufregte. Sie wusste ja nicht einmal mehr, was sie denken sollte. Sie sprang von ihrem Stuhl, als wäre er rot glühend, und stapfte durch das Arbeitszimmer, die Hände in den Hosentaschen vergraben.
Zugegeben, sie war nie auf die Idee gekommen nachzufragen. Sie hatte sämtliche Verhandlungen im Zusammenhang mit der Wohnungssuche und erst recht den verwirrenden Schriftkram voll Dankbarkeit an Adrian abgegeben. Dass allerdings die Person des Vermieters den Ausschlag gegeben hatte, dass Adrian nur zu gerne diese Angelegenheit an sich gerissen hatte, schlug dem Fass den Boden aus.
M it flammendem Gesicht schaute sie aus dem Fenster und verwünschte das Winterwetter, welches sie garantiert auch während der nächsten Stunden in der Wohnung gefangen halten würde. Mittlerweile türmte sich der Schnee zwanzig Zentimeter hoch, was für die Fischköpfe bereits eine mittlere Katastrophe darstellte. Nach dem Prinzip der maximalen Schweinerei wütete seit dem frühen Nachmittag ein ausgewachsener Sturm, dem sie sich als bekennende Frostbeule nicht mal unter Androhung der Todesstrafe aussetzen würde. Allein aus diesem Grund unterdrückte sie ihr Verlangen, die Fensterscheibe im Arbeitszimmer einzuschmeißen, um sich an der Heimtücke und den Lügen des Kapitäns zu rächen. Als ihr keine Flüche mehr einfielen, mit denen sie Adrian und seinen sauberen Freund belegen konnte, ließ sie sich schnaufend in den Bürosessel sinken.
D ie atemberaubende Geschwindigkeit, mit der Adrian damals den Abschluss des Mietvertrages über die Bühne gebracht hatte, hätte sie eigentlich stutzig machen müssen. Er war Pedant und alles andere als von der schnellen Sorte. Genau genommen handelte es sich bei ihm um eine ausgesprochene Trantüte, eine Schlafmütze zum Quadrat. Dieser Kerl dachte ja sogar vor jedem Kuss nach, ob der passende Zeitpunkt und Ort dafür war! Bloß keine spontanen Handlungen zulassen, wenn er dabei Gefahr lief, sie könnten in der Eile nicht vollkommen werden. Als könnte es ihn Kopf und Kragen kosten!
Und dann dieser lächerlich niedrige Mietzins, den Clausing von ihnen verlangte! S ie hatte ja keine Ahnung gehabt. Suse riss die Mappe vom Tisch und steckte ihre Nase tiefer in das Papier. Wenn sie sich nicht irrte und die Zahlen richtig deutete, zahlten sie lediglich die Betriebskosten für ihre Wohnung.
Für Clausings Wohnung, verflucht! Als kleine Entschädigung für diese Freigebigkeit hatte er sich während ihrer Abwesenheit hier häuslich niedergelassen. Warum regte sie sich überhaupt auf? War doch bloß recht und billig.
Und als sie auf den nächsten Seiten die Kontoauszüge mit ihren monatlichen Überweisungen fand, brodelte es gefährlich in Suse. Also hatte Adrian sie sogar in dieser Hinsicht belogen! Er hatte dieses Konto ausschließlich für ihren Anteil an der Miete eingerichtet, denn anstatt dieses Geld an den Vermieter weiterzureichen, wuchs das Guthaben stetig an.
Wie großzügig von den Herren, giftete sie und hätte am liebsten in hohem Bogen Galle gespuckt. Wieder stiefelte sie mit großen Schritten vor dem Schreibtisch auf und ab, ohne sich darum zu kümmern, dass sie auf dem dicken Perserteppich eine tiefe Fußspur hinterließ.
Warum hatte sie zugelassen, dass Adrian derart viele Geheimnisse vor ihr hatte? Und dabei ging es nicht allein um die Ungereimtheiten, die seine Kindheit betrafen. Es waren tausend Kleinigkeiten, die er ihr verschwiegen hatte. Sie war mit so verdammt wenig in ihrer Beziehung zufrieden gewesen, weil sie geglaubt hatte, ihre Liebe sei das Wichtigste. Jetzt wusste sie nicht mehr, ob sie ihm je wieder vertrauen konnte. Würde sie ab sofort jedes seiner Worte auf die Goldwaage legen und
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