Begraben
wollte. Ich danke dem Leben, dass ich diese Klinik aufbauen konnte, die mir so sehr am Herzen liegt. Diese Worte wirkten wie eine erfrischende Dusche. Sie beruhigte sich, sah ihren Tischnachbarn an und lauschte ihm aufmerksam.
Nach seiner Rede – er hatte eine halbe Stunde über die große Hoffnung der Neurowissenschaft auf Heilung von Alzheimer und Parkinson referiert – schenkte sich Benoît Blake ein weiters Glas Wein ein. Cyrille versuchte, ihn so diskret wie möglich zu bremsen.
»Was hat er während meiner Ansprache gemacht?«, flüsterte er seiner Frau zu.
»Nichts Besonderes. Pass mit dem Wein auf.«
»Habe ich mehr Applaus bekommen als er?«
»Ja, mein Liebling. Komm, das ist das letzte Glas.«
»Seine Rede war von unglaublicher Blasiertheit.«
Cyrille schloss kurz die Augen. Sie teilte Benoîts Feindseligkeit gegenüber dem anderen berühmten neurophysiologischen Forscher nicht, der in Sainte-Félicité ebenfalls ihr Professor gewesen war. Im Gegenteil, sie respektierte ihn, was Benoît zutiefst verärgerte.
Um dreiundzwanzig Uhr war die Versteigerung abgeschlossen, und die Gäste erhoben sich.
Als sie zum Wagen gingen, lallte Benoît leicht, und sein Gang war unsicher. »Ich fahre«, drängte Cyrille.
»Ich hoffe, all diese Empfänge sind bald vorbei«, erklärte ihr Mann, »ich bin dieses mondäne Leben leid.«
»Wenn du den Nobelpreis bekommst, wirst du dich daran gewöhnen müssen«, meinte Cyrille neckend.
Den Rest der Fahrt über, bis sie die marmorne Eingangshalle des Hauses betraten, herrschte Schweigen. Im Aufzug fauchte Benoît seine Frau wütend an.
»Du hattest mir versprochen, frühzeitig da zu sein.«
Cyrille ergriff beschwichtigend seine Hand.
»Es tut mir leid, ich hatte ein großes Problem.«
Doch Benoît hörte ihr nicht wirklich zu.
»Ich war der Einzige ohne Ehefrau. Wie stehe ich denn gegenüber Tardieu da!«
Cyrille wollte weitersprechen, doch Benoît unterbrach sie.
»Weißt du, dass dieser Idiot letzte Woche nach Stockholm geflogen ist, um mit den Mitgliedern des Nobelkomitees zu Mittag zu essen? Francis hat es mir erzählt.«
Sie stiegen aus dem Aufzug, und Cyrille öffnete die Wohnungstür.
»Ich werde ihn anrufen«, schimpfte Benoît, »und ihm ein für alle Mal sagen, was ich von seinem Lobbying halte! Soll er doch der ganzen Karolinska in den Arsch kriechen, wenn ihm das gefällt! Was für ein Idiot!«
Cyrille biss sich auf die Lippe.
»Bitte beruhige dich, Benoît.«
Im Eingang zog sie Mantel und Schuhe aus und legte ihre Ohrringe ab. Sie konnte jetzt wirklich keine Szene ertragen. Schlimm genug, dass sie offenbar keine Gelegenheit fand, über ihre makabere Entdeckung mit ihrem Mann reden zu können. Trotzdem versuchte sie, Geduld zu zeigen.
»Ich verstehe ja, dass du im Moment nervös bist, aber es gibt auch noch andere schwerwiegende Probleme in deiner Umgebung.«
Doch Blake hörte nicht zu. Er lockerte seine Krawatte.
»Er verkehrt natürlich in gehobenen Kreisen, verstehst du? Er gibt an, wo er kann. Bei jeder Veröffentlichung informiert er die Presse und spielt die Sache hoch, und dann hat er noch diese alte Ziege, die seine Agentin spielt. So etwas habe ich nie gemacht. Ich habe mich immer von dem ganzen Zirkus ferngehalten und stattdessen gearbeitet. Wenn er ihn an meiner Stelle bekommt, dann mache ich einen Skandal, das schwöre ich dir!«
Cyrille seufzte verärgert. Warum musste er ihr das an diesem Abend antun? Sie spürte, wie eine Migräne auf ihre Augen zu drücken begann. Sie ging ins Schlafzimmer und öffnete den Schrank, um ihr Kleid aufzuhängen. Als sie kurz darauf aus dem Bad kam, hatte sich ihr Mann nicht von der Stelle gerührt und monologisierte noch immer.
»Letztlich habe ich nie das richtige Umfeld gewählt. Sieh nur, mit wem er verkehrt. Ein kameradschaftliches Schulterklopfen für den Minister, ein Abendessen mit der Hautevolee des Zentrums für wissenschaftliche Forschung!«
Cyrille knirschte mit den Zähnen.
»Schluss jetzt, Benoît! Ich will nichts mehr von ihm hören, mir reicht’s!«
Benoit warf ihr einen Blick zu, der all seine Verachtung für seinen Gegner zum Ausdruck brachte. Er erhob sich, stand erstaunlich sicher auf seinen Ringerbeinen und kam auf sie zu.
»Verteidigst du ihn etwa? Ich glaube, ich träume …!«
Cyrille wich einen Schritt zurück.
»Rede keinen Unsinn.«
»Ah, meinst du, ich hätte nicht bemerkt, wie du dich vorhin aufgeführt hast? Schon an der Uni war er hinter dir her.«
Cyrille
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