Begraben
gefunden.«
»Eine Schere … wo?«
»In der Spülmaschine.«
Cyrille sah ihren Mann ungläubig an. Das war total verrückt. Sie sollte ihren geliebten Kater mit einer Schere malträtiert und die Tatwaffe dann in die Spülmaschine gelegt haben?
»Das ist doch glatter Wahnsinn!«, schrie sie.
Sie stieß ein freudloses, raues Lachen aus. Benoît Blake drückte ihre Hand. Die Augen des Großen Mannes waren feucht.
»Mein Liebling, da ist auch dein Nachthemd.«
»Was?«
»Es lag zusammengerollt in der Wäschetruhe. Voller Blut. Offenbar hast du eine Szene wiederholt, die dich schockiert hat. So etwas kommt vor.«
Cyrille sprang auf. Benoît fing sie auf, bevor sie zusammenbrach. Er schloss sie in seine kräftigen Arme und streichelte ihr übers Haar.
»Mach dir keine Sorgen, Liebes, wir kümmern uns um dich. Nicht wahr, Muriel?«
Ihre Kollegin nickte mit betrübter Miene und strich ihrer Freundin über den Rücken. Cyrille ließ sich an die kräftige Brust ihres Mannes sinken.
Sie hörte nichts mehr. Benoîts Lippen bewegten sich, doch der monotone Klang seiner Stimme drang nur gedämpft zu ihr vor.
Jetzt stand es fest.
Sie war verrückt. Das Urteil war gefallen. Ein zweites Ich hatte in der letzten Nacht ein Verbrechen begangen, von dem sie nichts wusste. Sie war auf die andere Seite getreten, hatte die dünne Demarkationslinie zwischen Normalität und Geisteskrankheit überschritten. Und wie Julien und Clara hatte sie es vergessen. Sie war ebenso krank wie die beiden und kämpfte gegen dieselben Dämonen.
Sie war eine Mörderin.
Sie richtete sich auf und befreite sich langsam aus Benoîts Armen, um ans geöffnete Fenster in das warme beruhigende Sonnenlicht zu treten. Sie betrachtete die Blätter des Bambusstrauchs, die reglos ihren Mittagsschlaf hielten. Plötzlich war es so, als hätte jemand den Ton lauter gedreht. Benoît redete noch immer, und jetzt konnte sie ihn hören.
»Maistre wird den Vorfall unter den Teppich kehren, da brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Und Gombert hat bereits für heute Abend einen Platz in der Rothschild-Klinik für dich gefunden. Da sind sie uns wirklich entgegengekommen. Du kriegst ein Zimmer in der ersten Klasse und kannst dich ausruhen. Und gleich morgen fangen wir mit den Untersuchungen an.«
Cyrille, die sich halb zu ihm umgedreht hatte, wandte ihre Aufmerksamkeit jetzt wieder den Sträuchern mit ihren zarten Blättern zu.
»In Ordnung«, sagte sie mit schwacher Stimme.
Hinter ihr spürte sie eine leichte Bewegung, Benoît und Muriel traten sichtlich erleichtert zu ihr. Um sie zu beglückwünschen, dass sie ihrer Einweisung zugestimmt hatte?
»Wenn du willst, begleite ich dich nach Hause«, sagte Muriel und strich ihr über den Arm.
Es war das dritte Mal, dass ihre Freundin sie berührte, obwohl sie sonst den körperlichen Kontakt mit ihren Geschlechtsgenossinnen mied. Ihr Fall war offenbar wirklich ernst. Cyrille schob sie höflich zurück.
»Das ist nett, aber nein danke. Ich mache meine Sachen hier fertig, dann fahre ich nach Hause, packe meinen Koffer und warte auf euch.«
»Das ist nicht vernünftig«, erklärte Benoît, »in deinem Zustand …«
Cyrille hob den Kopf und brachte ihren Mann mit einem Blick zum Schweigen.
»Hör zu, ich weiß, dass ich wohl ein ernsthaftes Problem habe und mich in Behandlung begeben muss. Aber wenn ich das Haus in eurer Mitte verlasse, ist meine Glaubwürdigkeit hier ruiniert. Noch leite ich die Klinik. Ich möchte hier nicht einfach alles stehen und liegen lassen.«
»Bist du sicher, dass es geht?«
»Ja, ganz sicher. Ich komme heute Abend wie immer nach Hause. Ich muss einen Vorwand für meine Abwesenheit finden und so tun, als wäre alles in Ordnung.«
»Gut, wie du willst.«
Benoît Blake und Muriel Wang packten langsam ihre Sachen zusammen. Man hatte den Eindruck, dass sie nur widerwillig gingen und sich fragten, ob es nicht besser wäre, Cyrille gewaltsam nach Hause zu bringen. Doch Cyrille führte sie energisch hinaus. Sie hatte die Kontrolle verloren, das würde nicht wieder vorkommen. Die Tür schloss sich hinter ihnen. Cyrille kratzte sich am Hals und nagte an ihrer Unterlippe. Sie beschloss, Marie-Jeanne zu rufen.
»Kannst du bitte kurz in mein Büro kommen?«
»Soll ich meinen Block mitbringen?«
»Nein, das ist nicht nötig.«
Das junge Mädchen schien besorgt. Ihren Onkel und die Freundin ihrer Tante hier unangekündigt mitten am Tag auftauchen zu sehen, verhieß nichts Gutes. Man sah ihrer
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