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Behandlungsfehler

Behandlungsfehler

Titel: Behandlungsfehler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Konradt
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klassischer Fall – Fehldiagnose, unterlassene Befunderhebung. Und sicher ein grober
Behandlungsfehler. Ohne die fehlerhafte Diagnose hätte sie den Schlaganfall voraussichtlich nicht gehabt, die Lähmungen nicht erfahren, auch nicht die Nebenwirkungen des Kortisons und all die Ängste. Alles ist recht eindeutig. Ich bin mir sicher: Den Fall würden wir gewinnen. Aber meine Freundin will nicht klagen. Sie sagt, das macht sie auch nicht glücklicher. Sie will sich damit nicht mehr beschäftigen. Sie weiß, dass es ein Behandlungsfehler war und dass wir das auch mit großer Wahrscheinlichkeit nachweisen könnten. Sie sagt, egal, wie viel Geld sie bekäme, diese zehn Jahre kann ihr keiner wieder zurückgeben. Sie ist glücklich, dass das Leben jetzt wieder weitergeht und dass sie eine gute Chance hat, auf der Hochzeitsfeier ihrer Tochter zu tanzen. Nicht dass diese Hochzeit schon in Sicht wäre – ihre Tochter ist gerade einmal 13 Jahre alt. Aber wieder eine Zukunft zu haben, das macht sie glücklich.
    Sie hat auch keine Rachegedanken den Ärzten gegenüber. Die Kollegen wissen, dass sie einen Fehler gemacht haben. Das hat ihnen Christiane gesagt. Sie hat ihre Gerechtigkeit. Gut, sie hätte einen Anspruch auf Schmerzensgeld. Aber wie kann man zehn Jahre Angst in Schmerzensgeld aufwiegen? Das funktioniert nicht. Das kann nicht funktionieren. Wie viel ist verlorene Lebenszeit wert?

    Schmerzensgeld deckt primär nur den körperlichen Schaden. Was ist mit den Geburtstagsfesten der Tochter, die ausfallen mussten, weil Christiane im Krankenhaus lag? Was zählt ein Marathon, den sie nicht laufen konnte? Vor Gericht zählt das nicht in dem Maße, wie es zählen sollte. Und so versucht Christiane, die verlorene Zeit wieder aufzuholen und nicht Zeit mit einer Klage zu verschwenden.

    Die Zahl der Behandlungsfehler
    Um zuverlässig zu schätzen, wie häufig Behandlungsfehlern vorkommen, bräuchten wir verlässliche Daten. Doch die liegen in Deutschland nicht vor, weil es hier kein zentrales Register gibt, in das alle Fälle von Behandlungsfehlern eingehen. Ref 15
    Bei den Schlichtungsstellen der Landesärztekammern sind 2010 mehr als 11 000 Anträge von Patienten eingegangen. Zwei Drittel betrafen stationäre, ein Drittel ambulante Therapien. Laut Statistik der Bundesärztekammer 2010 sind das ein Viertel aller vermuteten arzthaftungsrechtlichen Fälle. Doch niemand kann das belegen. Wie viele Patienten ziehen ihren Anspruch schon beim Anwalt zurück? Oder einigen sich mit der Versicherung? Ich weiß es nicht.
    Die zuverlässigsten Daten über die Häufigkeit von vermeidbaren unerwünschten Ereignissen könnten Studien auf der Basis klinischer Untersuchungen oder einer Analyse der Krankenakten liefern. Solche Studien, in denen die Krankenakten einer repräsentativen Stichprobe von Krankenhauspatienten begutachtet wurden, sind schon in mehreren europäischen Ländern durchgeführt worden.
    Danach erlitten zwischen zwei und acht Prozent aller stationär aufgenommenen Patienten ein vermeidbares, unerwünschtes Ereignis. Auf dieser Grundlage wurde in einigen Studien auch die Zahl vermeidbarer Todesfälle geschätzt. In den Niederlanden (circa 16,5 Millionen Einwohner) ging man für das Jahr 2004 von 1482 bis 2032 Fällen aus. In Schweden (circa 9,4 Millionen Einwohner) wurde die Anzahl vermeidbarer unerwünschter Ereignisse mit tödlichem Ausgang auf jährlich bis zu 3000 geschätzt. Und in Deutschland? Das Bundesgesundheitsministerium geht von 40 000 bis 170 000 Fehlern pro Jahr aus. Eine große Spannbreite, die vermutlich mehr Ängste schürt als Fakten schafft.
    Die Zahl der vermuteten Behandlungsfehler steigt jedes Jahr und damit die Überprüfung von Behandlungen. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der stetigen Zunahme von Arzthaftungskammern bei den Landgerichten wieder.

Die Kanzlei im grünen Hinterhof
Erste Schritte in die Selbständigkeit
    I rgendwann hatte ich mein Juraexamen. Ich spürte, ich war angekommen. Ich hatte ein Kind, eine Familie, einen Mann – und endlich den Traumberuf, der all meine Fähigkeiten und Neigungen miteinander vereinte. Ich war Anwältin und gründete meine Kanzlei für Arzthaftungsrecht. Während des Referendariats habe ich zwei Menschen kennen gelernt, die mich in dieser ersten Zeit der Selbständigkeit begleitet haben. Meine ehemalige Partnerin ist eine brillante Rechtsanwältin, die über langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Personenschäden verfügt. Sie hat sehr viel Routine in

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