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Bei Anbruch der Nacht

Titel: Bei Anbruch der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kazuo Ishiguro
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Kein einziges verdammtes Mal! Euch musste ich zuschauen, euch widerlichen Kerlen, wie ihr dort
raufmarschiert und die Preise absahnt, und alle Eltern klatschen Beifall …«
    »Keine Preise? Keine Preise? Ja, schauen Sie sich doch an! Wer ist denn so berühmt? Wer hat denn die tollen Häuser …«
    In dem Moment klickte ein Schalter, und wir blinzelten einander in grellem, gleißendem Licht an. Zwei Männer, die auf demselben Weg hereingekommen waren wie wir, bewegten sich auf uns zu. Der Mittelgang war gerade breit genug, dass sie nebeneinander gehen konnten. Der eine war ein riesiger schwarzer Bursche in der Uniform des Hotelwachdienstes, und was ich zuerst für eine Waffe in seiner Hand gehalten hatte, war ein Sprechfunkgerät. Neben ihm war ein kleiner weißer Mann mit hellblauem Anzug und ölglattem schwarzem Haar. Keiner von beiden wirkte irgendwie ehrerbietig. Ein, zwei Meter vor uns blieben sie stehen, dann zückte der Kleine seinen Ausweis.
    »LAPD«, sagte er. »Morgan mein Name.«
    »Guten Abend«, sagte ich.
    Einen Moment lang starrten uns der Polizist und der Wachmann schweigend an. Dann fragte der Polizist:
    »Hotelgäste?«
    »Ja«, sagte ich. »Wir sind Gäste.«
    Ich spürte den weichen Stoff von Lindys Morgenmantel über meinen Rücken streifen. Im nächsten Moment hatte sie sich bei mir eingehakt, und wir standen nebeneinander.
    »Guten Abend, Herr Wachtmeister«, sagte sie mit einer schläfrigen Honigtaustimme, die sich von ihrem sonstigen Tonfall erheblich unterschied.
    »Guten Abend, gnädige Frau«, sagte der Polizist. »Und sind Sie beide aus einem bestimmten Grund um diese Zeit unterwegs?«

    Wir fingen beide gleichzeitig mit einer Antwort an, brachen wieder ab und lachten. Die beiden Männer verzogen keine Miene.
    »Wir können nicht schlafen«, sagte Lindy. »Deshalb gehen wir einfach ein bisschen spazieren.«
    »Spazieren.« Der Polizist sah sich in dem grellweißen Licht um. »Vielleicht auf der Suche nach was Essbarem.«
    »Das stimmt, Herr Wachtmeister!« Lindys Stimme klang immer noch total übertrieben. »Wir hatten einen kleinen nächtlichen Hunger – das kennen Sie sicher auch, oder?«
    »Ich schätze, der Zimmerservice taugt nichts«, sagte der Polizist.
    »Nein, er ist nicht so toll«, sagte ich.
    »Nur das übliche Zeug«, sagte der Polizist. »Steaks, Pizza, Hamburger; dreifaches Clubsandwich. Weiß ich, hab selber vorhin beim Nachtservice bestellt. Aber ich schätze, Leute wie Sie essen so was nicht.«
    »Na ja, Sie wissen ja, wie es ist, Herr Wachtmeister«, sagte Lindy. »Es geht auch um den Spaß . Es ist einfach spannend, nachts hier runterzuschleichen und was zu stibitzen, Sie wissen schon – was Verbotenes zu tun eben, wie damals als Kind?«
    Bei keinem der beiden waren Anzeichen eines Erweichens zu sehen. Aber der Bulle sagte:
    »Entschuldigen Sie die Unannehmlichkeit. Aber Sie verstehen schon, dieser Bereich hier ist für Hotelgäste nicht zugänglich. Und gerade in letzter Zeit sind ein, zwei Sachen weggekommen.«
    »Ach, wirklich?«
    »Allerdings. Haben Sie womöglich was Komisches oder Verdächtiges bemerkt?«

    Lindy und ich sahen einander an, dann schüttelte sie dramatisch den Kopf.
    »Nein«, sagte ich. »Es ist uns nichts aufgefallen.«
    »Gar nichts?«
    Der Wachmann war näher getreten und quetschte sich jetzt mit seinem massigen Körper entlang der Arbeitsplatte an uns vorbei. Es war klar, was er vorhatte: uns, während sein Partner redete, von hinten in Augenschein zu nehmen, um herauszufinden, ob wir vielleicht etwas am Körper versteckt hatten.
    »Nein, gar nichts«, sagte ich. »Was wäre zum Beispiel etwas Auffälliges?«
    »Verdächtige Personen. Ungewöhnliche Aktivitäten.«
    »Meinen Sie, Herr Wachtmeister«, fragte Lindy entsetzt und schockiert, »dass in Zimmer eingebrochen wurde?«
    »Nein, das nicht, gnädige Frau. Aber es sind bestimmte Wertgegenstände verschwunden.«
    Hinter uns rührte sich der Wachmann.
    »Ah, deshalb sind Sie hier bei uns«, sagte Lindy. »Um uns und unser Eigentum zu schützen.«
    »Das ist richtig, gnädige Frau.« Der Blick des Polizisten bewegte sich ruckartig, und ich hatte den Eindruck, dass er sich mit dem Mann hinter uns verständigte. »Wenn Ihnen also was Komisches auffällt, benachrichtigen Sie bitte sofort den Sicherheitsdienst.«
    Die Befragung schien vorbei zu sein, und der Bulle rückte zur Seite, um uns durchzulassen. Ich schickte mich zum Gehen, aber Lindy sagte:
    »Das war sicher nicht fein von uns, hier

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