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Bei Anbruch des Tages

Bei Anbruch des Tages

Titel: Bei Anbruch des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sveva Casati Modignani
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natürlich. Der Dottore erwartet Sie bereits, aber ich wusste nicht … Ich meine, ich dachte …«, stammelte die junge Frau.
    Â»Am besten melden Sie mich einfach an«, half Léonie ihr mit einem zuckersüßen Lächeln auf die Sprünge.
    Sie hatte sich sorgfältig geschminkt, trug ein fuchsiafarbenes Kostüm und hatte Parfüm aufgelegt. Sie war fest entschlossen, sieg reich aus dem Kampf mit diesem arroganten Baulöwen hervorzugehen, der anderen seine Gesetze aufzwang, statt die des Staates zu respektieren.
    Léonie und das Kindermädchen wurden zu einem Lift geführt, der sie in den ersten Stock brachte. Dort wurden sie von einer Sekretärin empfangen, die eher wie eine Varieté-Tänzerin aussah. »Der Dottore wird Sie sofort empfangen«, flüsterte sie. »Ich weiß allerdings nicht, ob es angebracht ist …«
    Gioacchino schlummerte selig, und Léonie überreichte ihn behutsam dem Kindermädchen mit den Worten: »Ja, es ist in der Tat angebracht, das Kindermädchen und meinen Sohn, wenn auch nur kurz, angemessen unterzubringen. Wissen Sie, er ist noch zu klein für eine Arbeitsbesprechung.«
    Die völlig verblüffte Sekretärin beeilte sich, auf einen Raum zu zeigen, in den sich das Kindermädchen mit dem Kleinen zurückzog.
    Dann wartete Léonie hocherhobenen Hauptes, dass die Sekretärin die Tür zu Tommasinis Büro öffnete und sie ankündigte.
    Wenig später fand sich Léonie in einem prunkvollen Saal wieder, der mit weichen Teppichen, antiken Spiegeln und üppigen Pflanzen dekoriert war. Das Ganze ließ den kahlköpfigen, übergewichtigen Fünfzigjährigen darin beinah lächerlich wirken. Er saß am Ende des Raums in einem thronartigen Sessel hinter einem gläsernen Schreibtisch. Neben ihm stand in Habachtstellung ein dürres rotblondes Männchen, das ihr entgegenkam, während sich der Baulöwe von seinem Thron erhob, langsam auf sie zukam und ihr ein breites Lächeln schenkte. Léonie hütete sich davor, auch nur die geringste Unsicherheit zu zeigen.
    Â»Signora Tardivaux, Sie sind ja noch schöner, als mir erzählt wurde«, begann der Dottore, wobei er Léonies Hand an die Lippen führte. Dann fuhr er fort: »Ich bin der römische Baulöwe, den man hier im Norden verachtet, aber man wird mich schon noch schätzen lernen. Darf ich Ihnen meinen übergenauen Buchhalter Signor Lucetti vorstellen? Ein wertvoller Mitarbeiter natürlich, aber hin und wieder ein wenig zu penibel. Bitte setzen Sie sich«, sagte er und wies mit einer übertriebenen Geste auf einen Sessel vor seinem Schreibtisch.
    Léonie gab Lucetti die Hand und setzte sich, während Tommasini es sich wieder auf seinem Thron bequem machte.
    Â»Signor Lucetti ist so fleißig, dass er es manchmal übertreibt.«
    Der beschimpfte Buchhalter verzog keine Miene und begab sich wieder in Habachtstellung neben seinen Chef.
    Â»Ich habe um ein Treffen gebeten, das Sie mir großzügiger weise gewährt haben, um Ihnen deutlich zu machen, wie wichtig Sie uns als Kunde sind. Ich muss eingestehen, dass wir an den derzeitigen Problemen in unserer Geschäftsbeziehung nicht schuldlos sind. Ich habe mir den Liefervertrag angeschaut. Dabei habe ich gesehen, dass über die genaue Art der Zahlung nichts vereinbart wurde. Es gibt jedoch einen Nachtrag, der weitere Vereinbarungen vorsieht, die allerdings nie getroffen wurden.«
    Während sie sprach, reichte Lucetti seinem Vorgesetzten einige Unterlagen, doch der winkte bloß ab.
    Â»Ich weiß, ich weiß«, erwiderte Tommasini, ohne sein Lächeln abzulegen. »Das will ich Ihnen gern erklären. Sie als Französin wundern sich sicher, wie weit die Spitzfindigkeiten der italienischen Gesetzgebung gehen! Sie ahnen sicher gar nicht, wie gierig unsere Finanzbehörden sind. Menschen wie ich, die Häuser, ja, ganze Städte bauen, um allen ein anständiges Dach über dem Kopf zu garantieren, werden regelrecht schikaniert. Um als Firma weiterbestehen zu können, sind wir manchmal zu, nennen wir es, lässlichen Sünden gezwungen, so auch in diesem Fall.«
    Â»In diesem Fall zwingen Sie uns jedoch, ebenfalls zu sündigen. Ich bin keine Steuerfachfrau, glaube aber, dass bei zwei Sündern die Angelegenheit nicht mehr ganz so ›lässlich‹ ist«, erwiderte Léonie geistesgegenwärtig.
    Der Mann schwieg

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