Bei Interview Mord
offensichtlich über meine Tätigkeit informiert hatte. Ein paar Sekunden lang kam die hundert Prozent beste Musik, und dann meldete sich eine Frauenstimme.
»Kanitz, Radio Berg, hallo?«
Ich versuchte gerade, mit einer Hand meine Socken anzuziehen. Gar nicht so einfach.
»Guten Tag, Frau Kanitz. Mein Name ist Rott, ich war gestern…«
»Wir wissen Bescheid, Herr Rott. Sie recherchieren in dem Fall mit dem Armbrustmörder.«
»Ganz genau. Leider oder vielmehr Gott sei Dank hat sich da ja heute was bewegt.«
»Das kann man wohl sagen. Aber so wahnsinnig viel wissen wir auch noch nicht. Nur dass die Polizei den Verdächtigen anhand des Motorradkennzeichens gefunden hat. Wer es ist, erfahren wir erst auf der Pressekonferenz.«
»Wann ist die?«
Mein rechter Fuß war jetzt bestrumpft, aber das fühlte sich da unten alles viel zu eng an. Kein Wunder: Die Ferse war vorn. Ächzend zog ich an der Wolle herum.
»Um zehn. Der Kollege Volkmer ist vor Ort.«
»Okay«, sagte ich. »Ich fahre jetzt nach Gladbach und melde mich von unterwegs.«
»Sie können um halb die Lokalnachrichten hören. Da kriegen Sie sicher weitere Informationen.«
»Gut.«
»Herr Rott?«
»Ja?«
»Geht's Ihnen gut?«
»Warum?«
»Sie klingen, als würden Sie gerade durch den Wald rennen oder so was.«
Ich wurschtelte an dem zweiten Socken herum. »So was Ähnliches tue ich auch.«
»Als Detektiv ist man immer im Einsatz, oder?«
»Immer«, versicherte ich und verabschiedete mich.
Ich ging auf Strümpfen in Mannis Bad und machte Katzenwäsche. Es gab kein Handtuch für mich, dafür fand ich Klopapier, mit dem ich mich abtrocknen konnte, und Deospray. Im Wohnzimmer zog ich mich fertig an. Mein Blick fiel auf zwei Pappbehälter mit knallroter Aufschrift PIZZASERVICE BARMEN und eine Batterie leerer Bierflaschen.
»Du willst doch nicht etwa weg?«, fragte Manni, der immer noch in der Küche saß.
»Von wollen kann keine Rede sein. Der Job ruft.«
»Welcher Job? Der mit dem Schützen in Gladbach? Den haben doch andere für dich erledigt.«
»Abwarten!«, rief ich. »Danke für die Unterkunft.«
»Danke für die Pizza«, schrie Manni zurück, als ich meine Uhr und die Schlüssel aufgesammelt hatte und hinunter zum Wagen rannte.
Das Gespräch mit Jutta am letzten Abend zog fetzenweise an mir vorbei, und irgendwie kam ich zu dem Schluss, dass sie mich für einen Versager hielt.
Ich bin aber kein Versager, schrie es irgendwo in mir zurück, und das beweise ich jetzt! Ich beeile mich, zeige, dass mich der Fall nach wie vor interessiert! Und wenn ich ganz, ganz brav bin, kriege ich vielleicht doch noch richtig viel Kohle, weil ich irgendwas rausfinde, was die Polizei noch nicht weiß! Jawoll! Das klappt aber nur, wenn ich jetzt hurtig nach Gladbach fahre und Infos sammele, bis die Birne qualmt!
Das ging so, bis ich den Rastplatz Ohligser Heide erreichte. Mittlerweile war es zwanzig nach zehn geworden. Ich sollte mir einen Kaffee gönnen, dachte ich. Und den fiesen Geschmack aus dem Mund bekommen. Und, wenn die Pressekonferenz vorbei war, Radio Berg anrufen, um zu hören, was die Polizei wusste. Und in zehn Minuten Nachrichten hören.
Um kurz vor halb elf suchte ich Radio Berg. Eine Frau vermeldete: »Es ist zehn Uhr dreißig.«
Eine Männerstimme ergänzte: »Radio Berg - Lokalnachrichten. Das Neueste aus dem Bergischen Land.«
Dann wieder die Frauenstimme: »Mit Iris Trespe.«
Es folgte die Aussicht, dass es in den nächsten Tagen etwas wärmer werden würde, »mit sonnigen Abschnitten«, und dann kamen wumms, wumms, wumms, die Schlagzeilen. Die, auf die es mir ankam, war gleich die erste: »Festnahme im Fall des Gladbacher Armbrustschützen.«
Ich stellte lauter.
»Im Fall des Armbrustschützen von Bergisch Gladbach hat es eine Festnahme gegeben. Unser Kollege Peter Volkmer ist gerade auf der Pressekonferenz der Polizei. Wir schalten live nach Bergisch Gladbach. Peter, der Mord an dem Zauberkünstler Magic Landini alias Nikolaus Landauer hat uns alle erschüttert, zumal er während eines Radio-Berg-Interviews geschah.«
Gut, dass man's noch mal erwähnt hatte!
»Und nun heißt es, die Polizei hat schon einen Verdächtigen festgenommen. Um wen handelt es sich?«
»Es ist ein Mann, den die Polizei Hubert P. nennt. Er ist vorbestraft und arbeitete vor einigen Jahren als Geldeintreiber für gewisse Rotlichtgrößen im Rheinland. Die Ermittler kamen über das Nummernschild des Motorrads auf die Spur des Tatverdächtigen. Zeugen
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