Bei Tag und Nacht
daß du damit fertig wirst?«
»Ich war noch nie sicherer.«
Die Verdüsterung wich, und ein Lächeln stahl sich in seine Augenwinkel. Zum ersten Mal seit Wochen erschienen seine Grübchen wieder. »Ich bin so glücklich, mein Engel. Ein wahrer Glückspilz!«
Elissa schnaufte erleichtert und kam in seine Arme. Jawohl, sie würde dafür sorgen, daß er sich fühlte wie im Märchen!
20
Mehrere Tage lang schlugen sie ein erbarmungsloses Tempo an und marschierten bis zu zwanzig Meilen durch Wald und Feld. Jede Nacht errichtete die Armee ein provisorisches Lager, wobei die Offiziere meistens in Zelten und die einfachen Soldaten unter freiem Himmel schliefen. Das Wetter blieb trocken, kein Regen war in Sicht.
Unterwegs sprach Adrian mit den Leuten, die unter dem Kommando des Generals standen, stellte diskrete Fragen, stets Becker im Visier, oder interessante Hinweise anderer Art. Aber bisher war nichts Bemerkenswertes aufgekommen. Mit Hilfe des Erzherzogs gelang es ihm allerdings, Karl Taubers kommandierenden Offizier Oberst Schulz bei der sechsten Infanterie ausfindig zu machen. Er war ein hellhaariger, ernster Mann mit tiefen Falten um die Augen.
Adrian entdeckte ihn am anderen Ende des Lagers, als es gerade dämmerte. Sie begrüßten einander, und Adrian fragte ihn nach Karl Tauber.
»Ich bin ein Freund der Familie«, erläuterte Adrian, »und habe ihr angeboten, dem Mord an Karl Tauber nachzugehen, solange ich hier bin ... falls es einer war.«
»Allerdings ist Tauber ermordet worden. Schuß in den Kopf aus nächster Nähe. Seine Leiche wurde vor dem Gasthaus Reiß in Wien gefunden.«
»Reiß?« Adrian hob die Brauen, als er daran dachte, daß dort auch der Kurier des Falken dran glauben mußte. Warum hatte Ravenscroft das nicht gewußt? Aber schließlich gab es nur wenig Nachrichten während der Truppenbewegungen.
»Habt Ihr davon gehört?« fragte der Oberst.
»Ich bin einmal dort gewesen. Kein Ort, wo ich erwarten würde, einen Offizier wie Tauber anzutreffen.«
»Das dachte ich damals auch. Karl gehörte eigentlich nicht zu der Sorte, die dort spielt oder trinkt.«
»Habt Ihr eine Vorstellung, warum er hingegangen ist?«
»Ich wünschte, es wäre so. Kurz vorher bin ich ihm noch begegnet, und er wirkte irgendwie gereizt. Ich fragte ihn, ob etwas nicht in Ordnung wäre, und er schien nicht recht zu wissen, wie er die Frage beantworten sollte. Er meinte, er wäre nicht sicher, würde aber vielleicht später etwas zu berichten haben. Das war das letzte Mal, daß ihn jemand lebend gesehen hat.«
»Erwähnte er je einen Major namens Becker? Es mag in unwichtig erscheinendem Zusammenhang gewesen sein.«
Der Oberst überlegt. »Becker? Ja, das hat er tatsächlich getan. Es ging um irgendwelche unangenehmen Gerüchte über Becker, aber er könne noch nicht darüber sprechen, solange er nicht mehr wisse.«
»Noch etwas?«
»Nur daß er hoffte, bald einiges in Erfahrung zu bringen.«
Adrian dachte darüber nach. Unglücklicherweise hatte es dieses Bald für Karl Tauber nicht gegeben. »Habt Ihr nach dem Mord je mit Becker gesprochen?«
»O ja! Nachdem Tauber ihn so kurz vor seinem Tod erwähnt hatte, dachte ich, dort eine Auskunft zu erhalten. Der Major hat am Abend des Mordes einen Freund besucht und somit ein solides Alibi; es gab keinen Anlaß, ihn weiter zu verdächtigen.«
Adrian nickte und hatte im Augenblick keine Fragen mehr. Er bedankte sich bei Schulz und versprach, Taubers Familie seine Kondolenzwünsche zu überbringen.
Als er fortging, dachte er verdrossen über das soeben Gehörte nach. Da Tauber beim Gasthaus Reiß ermordet worden war, mußte es eine Verbindung geben. Aber was hatte Becker damit zu tun? Nach der Aussage von Schulz war er an jenem Abend nicht in der Nähe gewesen.
Was immer den Major betraf, es gefiel Adrian nicht, genausowenig wie die Tatsache, daß Elissa weiterhin seine Gesellschaft suchte, um so eine Art Freundschaft mit ihm anzuknüpfen. Wie sie richtig erraten hatte, war das die einzige Form von Beziehung, für die sie Becker gewinnen könnte. Das hätte Adrian selbst auch gesehen, wenn er nicht so verdammt eifersüchtig gewesen wäre.
Becker erschien ihm seltsam und rätselhaft; Adrian fragte sich immer öfter, was wohl unter der Oberfläche seiner fast nervenaufreibenden Ruhe liegen mochte. Er hatte wenige Freunde, schien seine Arbeit überaus gewissenhaft zu erledigen.
Trotzdem war der Major mehrmals während des langen Ritts nach Wien nachmittags allein
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