Bei Tag und Nacht
Vorsicht, aber wahrscheinlich war das eine gute Idee - zusammen mit Elissas Zofe. Die Herzogin hat hinterlassen, falls die Gräfin nach Wien zurückkehrt, solle sie möglichst schnell zur ihr nach Blauenhaus nachkommen.«
Etwas von der Anspannung in Adrians Haltung schien sich zu legen. »Das ist ja schön.« Er lächelte. »Das alte Mädchen ist uns tatsächlich immer einen Schritt voraus. Wenn wir Ninas Familie nicht finden können, kann sie mit den Kindern Elissa nach Baden begleiten. Dort wird ihnen nichts geschehen, selbst wenn Napoleon Wien überrennt.«
Elissa schwieg. Sie versuchte zu verdauen, was sie soeben erfahren hatte; entscheiden konnte sie dann später, wie sie am besten weitermachen sollte. Adrian dachte vielleicht, er müßte immer noch ihr Leben dirigieren; doch jetzt, wo sie zurück in Wien waren, wollte sie das lieber wieder selber in die Hand nehmen. »Was wirst du tun, Adrian?«
Er verzog die Lippen; aber um seinen Mund lag eine Strenge und in seinen Augen eine Leere, die ihr mehr angst machten als der kommende Krieg.
»Morgen früh werde ich General Ravenscroft Bericht erstatten. Danach kehre ich zur Armee zurück, sollte sich meine Order nicht geändert haben.« Er legte seine Finger an ihr Kinn. »Falls du dich erinnerst, meine Dame, ist da noch der Falke -und ich habe ein Versprechen einzulösen.«
Sein Blick wanderte tastend über ihr Gesicht, und Elissa drückte es das Herz ab. Irgend etwas stimmte nicht. Sie hatte es schon gespürt, als er neben ihr am Krankenlager stand, mit seltsam fernem Ausdruck und so verschlossenem Blick, daß sie kaum glauben konnte, wie zärtlich er noch wenige Stunden zuvor zu ihr gewesen war.
In ihrem Magen bildete sich ein Klumpen. Irgend etwas hatte sich zwischen ihnen geändert; etwas Dunkles, Unfaßliches schien sie zu trennen, das unsagbar bedrohlich wirkte. Sie mußte dagegen ankämpfen, aber sie hatte keine Ahnung, womit sie es eigentlich zu tun hatte.
»Wir sollten jetzt alle zu Bett gehen«, ergriff Adrian erneut das Wort. »Morgen ist wieder ein langer Tag, und ordentlicher Schlaf wird uns allen guttun.«
Die Haushälterin kam zurück und brachte die beiden Frauen nach oben. Eine kleine Badewanne mit duftendem Wasser stand in einer Ecke von Elissas Zimmer, aus der einladender Dampf aufstieg. Dankbar für Adrians Umsicht ließ Elissa die Bauernkleider fallen und setzte sich in das Kupferbehältnis, zog die Beine an die Brust, um es sich bequem zu machen, und das heiße Wasser linderte ihre Erschöpfung etwas.
Widerstrebend gab sie zu, daß es angenehm war, wieder in Wien zu sein - sicher vor den Gefahren, die bei der Armee lauerten. In dem Schlafzimmer hier hatte sie schon einmal geschlafen, und ein paar vergessene Kleidungsstücke hingen noch im Schrank.
Energisch verbot sie sich, an Adrian in seinem Zimmer am Ende des Flurs zu denken, unterdrückte den Wunsch, bei ihm zu sein. Sie gab sich die größte Mühe, ihn aus ihren Gedanken zu verbannen - aber ihr Gefühl weigerte sich. Wenn sie die Augen zumachte, sah sie ihn vor sich stehen, mit einem sanften Lächeln um den Mund. Sie verdrängte das Bild, aber die Verwirrung blieb, zusammen mit Unsicherheit, Einsamkeit und Angst.
Schließlich gewann die Erschöpfung die Oberhand. Sie überlegte noch kurz, ob sie ihr Nachthemd anziehen sollte, und warf es rebellisch zur Seite. Nackt legte sie sich in die Kissen und blickte zum Betthimmel hinauf, ohne ihn wirklich zu sehen -vor lauter Müdigkeit.
Sie blies die Lampe auf dem Nachttischchen aus, schloß die Augen, aber der Schlaf erbarmte sich ihrer nicht. Das ferne Läuten von Kirchenglocken war ihr einziger Trost, während die Minuten verstrichen und es langsam still wurde im Haus.
Adrian steckte sich ein frisches Hemd in die Hose, stand mit noch nassem Haar vom Bade an der Tür seines Schlafzimmers, dachte an Elissa und schimpfte sich einen Narren, zögerte vorübergehend. Eine einzige Lampe brannte neben dem Bett und warf Schatten durchs Zimmer, sein eigener war grotesk und übergroß wie der Schuft, zu dem er jetzt werden würde.
Eine Welle von Selbstverachtung durchströmte ihn. Er wußte, daß er sie in Ruhe lassen sollte, daß ihre Trennung am nächsten Morgen auch ohne die Intimität einer letzten gemeinsamen Nacht schwer genug werden würde. Er haßte sich für das, was er tun wollte; aber dennoch schien er es nicht lassen zu können.
Er wußte, daß es nicht fair war, ihnen beiden gegenüber nicht. Aber er mußte sie einfach noch
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