Bei Tag und Nacht
noch etwas Geld übrig«, bot sie an, »und werde das Buttergefäß bezahlen.«
Der Vetter murmelte etwas Unverständliches aus Verdruß darüber, daß sie sich ihm widersetzte. »Das tu nur«, sagte er. Er entdeckte Jamison an der Tür und verbeugte sich kriecherisch.
»Kommt herein, Major. Es tut mir leid, daß Ihr das mit ansehen mußtet. Aber Ihr teilt sicher meine Meinung, daß Kinder Disziplin lernen müssen. Meine sind schon erwachsen und verheiratet. Sie gehorchen ihren Eltern, und das werden diese Kinder auch lernen!«
Jamison sagte nichts. Er wußte, daß sonst nur sein Temperament mit ihm durchgehen würde, und das kam keinesfalls in Frage. »Fräulein Petralo?« fragte er nur. »Könnte ich wohl einen Augenblick mit Euch sprechen?«
Sie lächelte ihm zu, und die Spannung wich ein wenig aus ihrem Körper. »Gerne.« Sie schaute den kleinen Tibor an: »Geh und hol deine Schwester. Macht euch fertig fürs Bett; ich komme in ein paar Minuten und erzähle euch noch eine Geschichte.«
Tibor warf einen scheuen Blick auf Jamison, blinzelte unsicher und trollte sich.
An jenem Abend dachte Jamison wieder an Nina. Er achtete nicht auf das hohe Pfeifen einer vorübersausenden Kanonenkugel, den Staub und die Steinsplitter, die herumflogen, als die Kugel ein paar Häuser weiter einschlug, trieb nur sein Pferd zur Eile an.
Er wußte, daß die Österreicher kurz vor einer Niederlage standen. Alle waren überrascht, daß der Erzherzog es bisher abgelehnt hatte, Verstärkung zu bringen. Es hieß, er stelle seine Truppen irgendwo nördlich der Donau auf und warte ab. Schon zu viele Verluste gab es zu verzeichnen, die nächste Schlacht wollte er gewinnen - selbst wenn er dafür sein geliebtes Wien opfern müßte.
Jamison stieg abermals vor dem hohen Ziegelbau in der
Kurrentgasse ab, in dessen zweitem Stock die Wohnung der Krasnos’ lag. Für seinen Geschmack war es hier zu eng, und im Treppenhaus roch es immer nach Küche. Auf dem oberen Treppenabsatz hörte er eine Männerstimme schimpfen, und es schwante ihm Übles.
Himmel, hoffentlich nicht wieder Nina. Sein Mund wurde trocken, und er spürte heftige Enge in der Brust. Als er nachdrücklich klopfte, hörte das Gebrüll auf. Schritte näherten sich, und Yana Krasnos öffnete die Tür.
»Major St. Giles«, flüsterte sie mit einem besorgten Blick über die Schulter. Sie war eine kleine, dickliche Vierzigerin, die immer einen gehetzten Gesichtsausdruck hatte.
Jamison folgte ihrem Blick zum Wohnzimmer, seine Ahnung bestätigte sich. Ivar stand neben dem kalten Kamin und betrachtete mit zornigem Gesicht und geballten Fäusten Nina, die ihm trotzig gegenüberstand. Aus ihrem Mund rann eine Blutspur, und ein dunkelroter Fleck färbte ihre Wange.
Ihr Blick traf auf den seinen, und Tränen traten in ihre Augen. »Jamie ...«, krächzte sie, ihre dunklen Wangen gerötet vor Demütigung.
Jamison machte einen Satz auf sie zu, und sein Ärger drückte ihm fast die Kehle ab. Dann zog er sie an sich und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. »Holt Eure Sachen«, wisperte er und spürte, wie ihr schlanker Körper zitterte. »Ihr und die Kinder -ich nehme Euch mit.«
Ivar Krasnos fluchte auf Ungarisch. »Das Mädchen geht nirgendwohin. Sie gehört zu meiner Familie und bleibt hier!«
»Irrtum! Wenn Ihr gewollt hättet, daß sie bleibt, hättet Ihr sie nicht schlagen dürfen.«
»Sie mischt sich bei den Kindern ein. Die müssen lernen, zu gehorchen - genau wie diese Dame!«
Jamison antwortete nicht. Er drehte Nina zur Tür und gab ihr einen sanften Schubs in diese Richtung. »Tut, was ich sage. Vertraut mir, Nina. Alles wird gut!«
Sie zögerte nur einen Augenblick, dann verließ sie den Raum, um die Geschwister zu holen.
»Die Stadt wird fallen«, verkündete Jamison jetzt. »Ich könnte Euch wenigstens aus Wien hinausbringen. Dann seid Ihr allerdings auf Euch selbst gestellt.«
Die Frau sah ihren Mann hoffnungsvoll an, aber Ivar grunzte nur. »Ist doch egal, wer die Stadt regiert. Mein Leben wird sich nicht ändern.« Er spuckte in die Asche im Kamin. »Nehmt das Kroppzeug und schaut, daß Ihr fortkommt!«
Als Jamison sich umdrehte, erwartete Nina ihn schon, mit inzwischen ziemlich geschwollener Lippe, im Flur. Wieder schüttelte ihn der Zorn.
»Wir verlassen die Stadt«, erklärte er ihr. »Ihr drei könnt bis zum Stadthaus auf meinem Pferd reiten. Dort nehmen wir den Wagen aus dem Stall.«
Sie legte eine Hand auf seinen Arm, berührte ihn sanft, doch wie immer
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