Bei Tag und Nacht
während er schmauste.
»Was gibt’s Neues, Jamison?« fragte Elissa nach einer Weile. Er wirkte müde, besorgt um die Zukunft, aber doch wie ein wachsamer Soldat bereit zum Kampf.
»Erzherzog Karl stellt seine Armeen auf. Es wird bald zur Schlacht kommen, vielleicht schon gegen Ende der Woche. Eine bessere Nachricht ist, daß ich Euren Bruder gefunden habe. Sein Regiment lagert nur etwa eine Meile von hier. Vielleicht kann ich Euch morgen zu ihm bringen.«
»Peter!« rief sie voller Dankbarkeit. Sie hätte gern nach Adrian gefragt, traute sich aber nicht.
Als der Major aufgegessen hatte, räumte Nina seinen Teller weg, und Elissa bemerkte, wie sein prüfender Blick jeder ihrer Bewegungen folgte. Er ging hinüber zu ihr, wo sie seinen Teller in einem Eimer mit Seifenwasser spülte.
»Ich weiß, daß es schon spät ist«, begann er. »Aber ich würde mich gerne mit Euch unterhalten. Sicher hat Elissa nichts dagegen, eine Weile die Kinder zu hüten.«
Diese stimmte ohne Zögern zu.
Nina bedachte sie mit einem unruhigen Blick, doch ihre dunklen Wangen tönten sich zartrosa. Sie nahm die ausgestreckte Hand des Majors und ließ sich von ihm fortführen. Elissa hoffte, St. Giles’ Absichten waren ehrenhafter als die Sehnsucht, die sie in seinen hellen Augen las.
Nina fühlte die sichere Hand des Majors an ihrer Taille, als er sie durch das Meer von Soldaten, Wagen und Zelten zu einer kleinen Baumgruppe am Rand des Lagers führte. Es war dunkel, doch eine dünne Mondsichel schimmerte am Himmel.
Er blieb an einer Tanne stehen, und Nina sah ihn an, unsicher, was sie sagen sollte - verzagt, daß er sie fortschicken könnte.
Eigentlich müßte sie sich längst entschließen, aufzubrechen und ihren Weg ohne ihn zu gehen.
Jamie räusperte sich, scheinbar genauso nervös wie sie. »Dieses Gespräch sollte schon früher stattfinden. Aber jetzt, so unterwegs und mit Napoleon im Nacken ... auf jeden Fall habe ich es bisher nicht geschafft.« Er betrachtete die Zehenspitzen seiner staubigen Stiefel. »Und ich wußte auch nicht genau, wie ich es sagen soll. Ich meine, ich habe versprochen, Euch zu helfen, aber... na ja, am Anfang erschien mir das alles nicht so kompliziert.«
Ihr Herz sank. Er würde sie fortschicken. Sie legte eine Hand auf seinen Unterarm, spürte, wie sich die Muskeln darunter verkrampften. »Es ist schon gut, Jamie, Ihr braucht Euch um meinetwegen keine Sorgen zu machen. Ihr habt mir geholfen, meinen Verwandten zu entkommen. Dafür werde ich Euch immer dankbar sein. Ich kann hart arbeiten. Die Kinder und ich kommen auch allein zurecht. Wir schaffen das schon.«
Er nahm ihre Hand, hob sie an die Lippen, drückte einen Kuß hinein, bei dem sie von kleinen Schauern überrieselt wurde. »Ihr versteht mich nicht richtig. Ich versuche nicht, Euch loszuwerden - im Gegenteil möchte ich Euch bitten, mich zu heiraten. Ich hab mich bloß nicht besonders gut ausgedrückt.«
Ihr Herz setzte einen Schlag lang aus und begann dann laut zu hämmern. Sein Gesicht wirkte so feierlich, seine Augen so unglaublich blau. »Ihr wollt, daß ich Eure Frau ...«
Der Major räusperte sich. »Ich weiß, daß wir uns noch nicht lange kennen, aber manchmal hat man einfach ein sicheres Gefühl. Von Anfang an habe ich Euch bewundert. Ihr habt viel Kraft und großen Mut! Es gefällt mir, wie Ihr für die Kinder sorgt. Und abgesehen davon habe ich gewisse . .. nun, Gefühle für Euch entwickelt, Nina. Wenn Ihr es für möglich haltet, daß Ihr eines Tages ... in der Zukunft meine ich .. . vielleicht diese Gefühle teilen könntet, dann hoffe ich, Ihr sagt ja.«
Nina hatte es die Sprache verschlagen. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, verhinderte alle Worte. Ein Nebel von Tränen verschleierte ihr die Sicht.
Jamison wandte den Blick ab, sein Gesicht verschloß sich, seine Haltung wurde steif. »Ich habe es nicht richtig angefangen, stimmt’s? Es klang alles falsch, und jetzt wollt Ihr mich nicht.«
Ihr Herz drohte zu zerspringen. Sie streckte die Hand aus und legte sie zitternd an seine Wange, drehte seinen Kopf zu sich herum, so daß er sie ansehen mußte. »Und du tust das nicht aus Mitleid?«
»Mitleid?« Blankes Erstaunen malte sich auf seinen Zügen. »Allmächtiger, nein! Du bist so schön, Nina, bist großzügig und offen, intelligent und tapfer. Wenn du ja sagst, machst du mich zum glücklichsten Mann der Welt!«
Sie blinzelte, und eine Träne rollte über ihre Wange. »Was ist mit den Kindern? Ich kann sie nicht
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