Bei Tag und Nacht
hatte - war stärker und hatte mehr Beschützerinstinkt. Im Grunde gefielen ihr diese Eigenschaften bei einem Mann sehr. »Ich will, daß Ihr hierbleibt«, wiederholte er laut. »Und wenn man mich woandershin beordert, nehme ich Euch mit.«
Elissa ließ sich ihre Überraschung nicht anmerken, war aber spürbar erleichtert. Sie hätte doch nach Baden gehen sollen, wie Adrian es wollte. »Was ist mit Nina?« fragte sie. »Was mit der Familie Krasnos?«
»Ich war heute morgen dort. Sie überlegen sich, die Stadt zu verlassen; aber Ivar Krasnos hat sich noch nicht entschieden.«
»Wie ist er? Scheint er ein anständiger Mann zu sein?«
Jamison seufzte. »Kann leider nicht sagen, daß ich ihn besonders mag . ..« Er zögerte, wollte noch etwas hinzufügen, schwieg dann jedoch.
Sie legte eine Hand auf seinen Unterarm. »Bitte, Major, Nina
ist meine Freundin. Ich mache mir Sorgen ihretwegen. Sagt mir die Wahrheit.«
Sein Gesicht wurde hart, als fiele ihm das Reden schwer. »Ivar Krasnos ist ein Dragoner und herrschsüchtig. Seine Frau duckt sich bei jedem seiner Blicke. Die Kleinen haben Angst vor ihm. Gott sei Dank wird Nina für sie eintreten. Sie fürchtet sich überhaupt nicht.«
»Oder wenn, dann würde sie es ihm nicht zeigen.«
»Offengestanden bin ich auch beunruhigt. Ich glaube, die Leute mögen den neuen Zuwachs nicht, und das lassen sie die drei auch spüren.«
In Elissa stieg Mitleid auf. Sie wünschte, sie könnte Nina helfen. »Es ist eine schwere Zeit. Vielleicht werden sie sich allmählich aneinander gewöhnen.«
»Mag sein.« Aber er klang nicht sehr überzeugt.
»Werdet Ihr sie noch einmal besuchen?«
Jamisons Gesicht wurde wieder lebhafter. »Heute abend möchte ich kurz vorbeischauen. Lange werde ich nicht bleiben können, aber wenigstens einen Gruß vorbeibringen.«
»Nina ist ein wunderbares junges Mädchen«, meinte Elissa.
»Sie ist sehr schön«, die Bewunderung ließ seine Stimme anschwellen, »besitzt Intelligenz und Stärke. Ich bin noch nie einer Frau wie ihr begegnet.«
Elissa lächelte weich. »Ich bin froh, daß Ihr Euch um sie kümmert. Sie hat Glück, einen Freund in Euch gefunden zu haben.«
Jamison wirkte etwas beschämt. »Tja, also ... Ich wünschte nur, ich könnte mehr für sie tun.« Er schaute zur Tür. »Ich muß los, es ist schon spät; aber schließlich habe ich mich auch um Euch zu kümmern.«
»Was passiert an der Front?« fragte Elissa.
Jamison schüttelte den Kopf. »Leider steht es schlecht, fürchte ich. Vielleicht solltet Ihr ein paar Sachen packen, falls wir schnell davonmüssen.«
Sie erschauerte leicht. »Ist gut.« Er drehte sich auf dem Absatz um, Elissa folgte ihm in die Eingangshalle. »Paßt auf Euch auf, Jamison.«
»Da könnt Ihr ganz sicher sein.« Er befahl noch dem Butler, die Tür abzuschließen, dann war er fort. Erst nach Mitternacht hörte sie seine Schritte auf der Treppe. Und als sie am Morgen erwachte, hatte er sich schon wieder auf den Weg gemacht.
Jamison ritt durch das Gewimmel von Menschen, die die Stadt verließen, Richtung Kurrentgasse, zur Wohnung der Krasnos. Rauch brannte in seiner Kehle, und dichter Pulverdampf hing über der Stadt. Wild wiehernde Pferde, ferner Kanonendonner sowie ohrenbetäubendes Geschrei erfüllten die schwere Nachtluft. Wagen vollgeladen mit Hausgerät, Möbeln, Teppichen, Kästen drängten dicht an dicht vorwärts durch die kopfsteingepflasterten Straßen zur Franzensbrücke, die über die Donau hinausführte aus Wien.
So chaotisch es in der Stadt auch zuging, Jamisons Hauptunruhe galt nicht dem Angriff Napoleons, sondern dem Krieg, den Nina Petralo mit ihrem entfernten Vetter ausfocht. Er schien jeden Tag unleidlicher zu werden. Gestern abend stand sie bei seinem Eintreffen dem vierschrötigen Mann gegenüber, die Fäuste geballt, postiert zwischen ihm und dem kleinen Tibor, der ein Buttergefäß zerbrochen hatte.
»Hol meinen Gürtel!« schrie Ivar seine Frau an. »Der Junge braucht eine Lektion im Achtgeben auf die Dinge. Ich werde dafür sorgen, daß er sie nicht so schnell vergißt.«
Nina schob Tibor weiter hinter sich. »Er hat es nicht absichtlich getan.« Jamison konnte sehen, wie der Junge zitterte. Er mußte sich die größte Mühe geben, den Mann nicht herumzureißen und ihm die Faust ins Gesicht zu rammen. Aber er beherrschte sich, um Nina nicht noch mehr Schwierigkeiten zu bereiten. Sie würde weiter bei ihrem Vetter leben müssen, wenn er längst über alle Berge war.
»Ich habe
Weitere Kostenlose Bücher