Bei Tag und Nacht
und er sagte zu Pettigru: »Ihr müßt dafür sorgen, daß die Herzogin in Sicherheit gelangt. Ich werde derweilen hier noch weitere Nachforschungen anstellen.«
Die Herzogin zögerte, und ihr kluger Blick maß ihn von Kopf bis Fuß. Dann nahm sie mit einem kurzen Nicken Pettigrus Arm und ließ sich zur Kutsche geleiten.
»Laßt mich Euch helfen«, bot Robert an, aber Adrian schüttelte den Kopf.
»Ich habe ein gutes Pferd, Ihr seid zu Fuß. Dieses Gewitter wird wohl ziemlich heftig werden, und ich bin schneller, wenn ich mich nur um mich selbst zu kümmern brauche.« Er legte eine Hand auf Blackwoods Schulter, der widersprechen wollte. »Begebt Euch zurück zur Villa, Robert. Wenn die Dame hier ist, werde ich sie finden. Und macht Euch keine Sorgen, falls wir nicht sofort zurückkommen. Sobald ich sie habe, werden wir uns einen geschützten Ort suchen, bis das Gewitter vorüber ist. Dann bringe ich sie heim.«
Der Regen tropfte von Blackwoods Hutkrempe. »Mag sein, daß Ihr recht habt. Viel Glück, Colonel Kingsland!« Er deutete eine knappe Verbeugung an und schritt den Hügel hinab.
Adrian schloß zum Schutz gegen den Regen seinen Umhang zur Gänze, schwang sich in den Sattel und begann, das Tal und die Weinberge daneben systematisch zu durchforsten. Er fragte sich, wie weit sie wohl gewandert sein mochte, bevor der Regen einsetzte, und warum sie dann nicht zurückgekehrt war.
Die Situation gefiel ihm nicht. Wenn Steigler nicht ihretwegen zurückgekommen war, mußte sie hier irgendwo sein. Sie hatte sich wahrscheinlich doch einen Unterschlupf gesucht - oder es war ihr etwas zugestoßen. Ungeachtet von Blitz und Donner ließ er den großen Schwarzen angaloppieren, rief ihren Namen und zog immer größere Kreise, während seine Besorgnis wuchs.
Sein Weg führte ihn immer wieder durch Reihen von grünenden, blühenden Reben, er ritt die Hügel hinauf und in tiefe Bachbetten, durch den nächsten kleinen Weinberg, doch nirgendwo gab es eine Spur von ihr. Das Gewitter hatte sich in kalten, prasselnden Regen verwandelt, und er versuchte sich einzureden, sie wäre wohl längst wieder in Blauenhaus - aber die Unruhe blieb.
Sein Instinkt sagte ihm, sie wäre hier draußen und in Schwierigkeiten.
»Wo, zum Teufel, bist du, mein Engel?« Seine Worte verklangen im Regendunst. Er ritt durch eine Senke, in der sich das
Wasser sammelte, dann einen Hang hinauf und blieb am oberen Rand eines steilen Grabens stehen. Ein Blitz zuckte auf, und der Donner folgte unmittelbar. Im Grunde sollte er besser nicht hier sein, konnte sich aber nicht zum Aufgeben entschließen.
Gerade wollte er umkehren, da wieherte der Hengst und spitzte aufmerksam die Ohren. Adrian spannte alle Muskeln an, als er etwas Blaßgelbes in der Schlucht unter sich schimmern sah, das nicht zum Schlamm der Umgebung paßte.
Das Pferd tänzelte, weil es eine plötzliche Anspannung spürte. Er schwang sich aus dem Sattel und hastete vorwärts, wo frisch abgebrochene Erde zu sehen war. Adrian wurde es eng in der Brust, als er durch das flache Gebüsch jetzt mehr von dem blaßgelben Fleck dort unten erkannte, von Elissas wirren und schlammigen Röcken - den zerdrückten Strohhut immer noch an seinem Band um ihren Hals.
So schnell er es wagte, stolperte er den steilen Hang hinab, ließ sich neben ihr auf die Knie, und seine Hände waren plötzlich unsicher. »Elissa ... Liebste, kannst du mich hören?« Ihre Kleider waren aufgeweicht, und der Regen rann in Rinnsalen über ihre glatten Wangen, aber sie rührte sich nicht.
»Ich bin’s, Adrian«, flüsterte er, und seine Hände wanderten geschickt auf der Suche nach Brüchen über ihre Arme und Beine. Glücklicherweise fand er nichts, entdeckte aber schließlich eine dicke Beule, die sich an ihrem Hinterkopf wölbte. »Hörst du mich, Elissa? Ich werde dich hier herausholen.«
In diesem Augenblick stöhnte sie und schlug langsam die Augen auf. »Adrian ... ?« Sie versuchte sich aufzusetzen, ächzte dann aber und ließ sich von ihm wieder hinunterdrücken. Erleichterung durchströmte ihn, wenigstens war sie bei Bewußtsein.
»Keine Angst, Liebste! Du bist häßlich gestürzt, hast dir aber wohl nichts gebrochen. Laß mich nur machen, ich kümmere mich schon um dich.« Seine Worte schienen sie zu beruhigen, denn sie schloß die Augen, und ihre Verkrampfung löste sich.
Sorgfältig darauf bedacht, ihr nicht weh zu tun, nahm er sie in die Arme und kletterte keuchend mit ihr den steilen Hang hinauf zu Minotaurus.
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