Bei Tag und Nacht
Tochter zu achten. Die Chance zu einer netten Abwechslung könnte das Risiko wert sein.«
Adrian sah der betreffenden Lady nach. »Ihr könntet recht haben«, heuchelte er und dachte, daß Hargraves Tochter zwar hübsch sein mochte, ihn aber überhaupt nicht anzog.
Steigler neigte leicht den Kopf. »Schade, daß ich mich verabschieden muß. Gute Nacht, Colonel. Ich wünsche noch einen angenehmen Abend!«
Der Colonel stellte grimmig fest, daß er diesen Mann nach jeder Begegnung noch weniger leiden konnte. Vor vier Jahren waren sie auch schon einmal wegen einer Frau aneinandergeraten, einer Opernsängerin, auf die Steigler ein Auge geworfen hatte. Schließlich hatte der General sie bekommen - einmal. Mit Gewalt, nach Aussage der Frau, was sie allerdings niemandem außer Adrian anvertraute. Geschlagen und voller blauer Flecken ließ er sie liegen - obwohl eifrig bemüht, daß die Spuren an nicht sichtbaren Stellen waren. Die Dame fühlte sich danach jämmerlich und elend.
Was hatte er mit Elissa vor? Steigler hielt sie für eine erfahrene junge Witwe, die er in seine perverse Welt locken wollte. Adrian kannte die Wahrheit - oder wenigstens einen Teil davon. Bis vor kurzem war Elissa unschuldig gewesen - eine junge Naive und entschieden überfordert durch jemanden wie Steigler.
Zur Hölle mit ihr, wenn sie den Mann wollte, sollte er ihr ihren Willen lassen!
Es bestand kein Zweifel, daß Elissa nur ihm gehörte, bis er ihrer wieder müde war.
»Und, was hatte dein Freund Steigler zu sagen?«
Jamie schlenderte herbei, seine rote Uniform perfekt auf seine schlanke, sehnige Gestalt zugeschnitten, ein Champagnerglas in der Hand. »Bestimmt etwas Angenehmes?« Ellen Hargrave warf ihm einen langen, prüfenden Blick zu, als er an ihr vorüberging.
»Der General warnte mich freundlich, meine Finger von Lady von Langen zu lassen. Offenbar betrachtet er sie exklusiv als sein Eigentum.«
»Vermutlich hat dir das nicht sehr gefallen . .. wenn man bedenkt, daß du selbst auch recht besitzergreifend bist, was die Lady betrifft.«
»Ich teile einfach ungern.«
»Besonders mit Steigler.«
»Du sagst es!« Er nahm einen Schluck Cognac. »Aber sie ermutigt ihn. Und ich weiß, verdammt noch mal, nicht warum. Ich habe versucht, sie zu warnen - was sie irgendwie in den Wind schlägt. Sie ist eine Frau mit einem starken Willen, sehr intelligent und entschlossen - aber extrem naiv. Was Männer anbelangt sicher nicht Steiglers Kragenweite .. .«
»Ist mir auch aufgefallen - aber Steigler sieht das wohl anders. Die Gräfin spielt einfach sehr überzeugend die Dame von Welt bei ihm und seinesgleichen. Bei dir scheint sie die Rolle zu tauschen.« Er lächelte. »Ich habe keine Ahnung warum, aber möglicherweise mag die Lady dich.«
»Hm - jedenfalls hat sie eine seltsame Art, das zu zeigen.« Adrian atmete tief aus, und sein Blick wanderte über die Menge im Ballsaal. »Sie ist in Schwierigkeiten, Jamie. Und wenn sie weiter mit Steigler Katz und Maus spielt, wird sie womöglich Schaden nehmen. Und das will ich nicht.«
Jamie betrachtete ihn über den Rand seines Glases hinweg. »Vielleicht hegst du selbst auch mehr als beiläufige Gefühle für die Dame?«
Adrian knurrte nur. Er war sich nicht sicher, was er für Elissa
Tauber empfand, außer einer kräftigen Portion Lust - aber Fürsorge gehörte in der Tat auch dazu.
»Wie war deine Besprechung in Wien?« erkundigte sich Jamie, um seine Aufmerksamkeit zurückzugewinnen.
»Leider nicht so ergiebig. Ich wollte sowieso noch mit dir reden.«
»Warum nicht jetzt gleich? Laß uns eine ruhige Ecke suchen. Das Römische Zimmer wird nur selten benutzt und hat einen Riegel an der Tür.«
Adrian spürte einen Anfall von Lust bei der jähen Erinnerung an bloße Haut und hitzige Küsse. »Da war ich gerade. Ich fürchte, ich könnte Probleme haben, mich zu konzentrieren. Vielleicht tut es auch die kleine Bibliothek?«
Jamie grinste, denn er kannte ihn zur Genüge. »Also gut, die kleine Bibliothek.« Er wies voraus: »Nach Euch, Colonel Kingsland!«
Elissa verbrachte den Nachmittag in ihrem Zimmer und las. Alle in Blauenhaus nahmen an, sie hätte sich noch nicht von dem Zustand erholt, der sie am vergangenen Abend so plötzlich ereilte. Dabei war sie nur feige und wollte Adrian nicht begegnen, schämte sich der ungezähmten Leidenschaft, die er in ihr erweckt hatte. Niedergeschlagen schloß sie die Augen; doch sosehr sie sich auch wehrte, meinte sie immer wieder zu spüren, wie seine
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