Bei Tag und Nacht
»Ich hole deine Zofe«, krächzte er und ging zur Tür. »Wenn du noch länger in dem Wasser bleibst, erkältest du dich. Sobald du angezogen bist, komme ich wieder, dann können wir unser Gespräch beenden.«
»Ich fühle mich schon viel besser. Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich lieber unten mit dir sprechen.«
Er nickte kurz. »Die Köchin wird dir etwas zu essen machen.« Sie sah ihn davonstürzen, ihre Brustwarzen waren immer noch hart, und Enttäuschung beschlich sie. Was hatte sie erwartet ? Daß er sie aus der Wanne ziehen und sich auf dem Fußboden über sie hermachen würde?
Wieder das Flattern im Magen. Himmel, fühlte sie sich merkwürdig!
Elissa stand hastig auf und schämte sich ihrer lüsternen Gedanken. Soeben wollte sie tropfend ein Handtuch holen gehen, da kam Sophie hereingeeilt und reichte es ihr. Zwanzig Minuten später betrat sie einen kleinen, sonnigen Raum auf der Rückseite des Stadtpalais. Der Duft von Kaffee erfüllte die Luft, und auf dem Tisch stand ein Krug mit heißer Melange, flankiert von frischem Kompott und einem großen Silbertablett mit Gebäck, dazu Apfelstrudel und Quark.
Sie streckte die Hand aus, um sich ein Stückchen zu stibitzen, dann zog sie sie eilig zurück, als sie Adrian entdeckte, der in einer Zimmerecke an der Wand lehnte. Vergnügt lachte er auf.
»Fröhliche Mahlzeit, Liebes! Wenn ich nicht schon gegessen hätte, würde es mir auch schwerfallen zu widerstehen.«
Elissa ließ sich von ihm den Stuhl zurechtschieben. Dann setzte er sich in seiner makellosen Uniform ihr gegenüber, obwohl sie sich erinnerte, daß sie an seinen Stiefeln Schlammspuren wahrgenommen hatte.
»Du siehst heute morgen wieder gut aus«, sagte er. »Wie fühlst du dich?«
»Wirklich besser. Das Bad war herrlich. Vielen Dank, Adrian!«
Sein Blick traf für einen Moment den ihren, als er sich daran erinnerte, wie sie nackt in der Wanne gesessen hatte, und die Hitze darin entging ihr nicht. Dann schaute er zur Seite und reichte ihr das Kompott, von dem sie sich bediente, während er ihr heißen Milchkaffee eingoß.
Sie glättete ihre Serviette auf dem Schoß. »Was ist mit dir? Hast du wirklich keinen Hunger?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich bin seit Stunden auf, war sogar schon bei General Ravenscroft. Er hat nach meinem Bericht zugestimmt, den Tod deines Bruders zu untersuchen.«
Schmerz und zugleich Genugtuung wallten in ihr auf, und sie erkundigte sich: »Bist du sicher, daß wir ihm vertrauen können ?«
»Der General ist ein Ehrenmann, ich kenne ihn seit über zehn Jahren. Außerdem wußte er schon, daß es einen Spion geben muß.«
In seinem Verhalten war etwas, das sie an den vergangenen Abend erinnerte, als sie den Falken erwähnt hatte. »Du weißt selber mehr darüber, als du mir sagst. Ich habe dir alles erzählt, was ich wußte; und nun hältst du etwas zurück. Warum?«
Einen Augenblick lang antwortete er nicht, betrachtete sie nur eindringlich. Ihm schien es genauso schwerzufallen, jemandem zu vertrauen wie ihr.
»Vor ein paar Wochen wurde hier in Wien noch ein Kurier ermordet. Er war offensichtlich ein Mittelsmann für den Feind. Man fand eine Nachricht bei ihm, aber keinerlei Hinweis auf den Absender. Es gab keine Unterschrift, aber ein Zeichen, das Bild eines Vogels, das mit Hilfe eines Siegels oder Rings aufgedrückt worden war. Nach deinen Enthüllungen muß der Vogel wohl ein Falke sein.«
Ihr Herz schlug schneller. Zum erstenmal, seit sie in Österreich war, hatte sie das Gefühl, endlich doch etwas erreichen zu können. »Das ist bestimmt ein wichtiges Indiz!«
»Als wir über den Brief deines Bruders sprachen, hast du nicht gesagt, warum er die erwähnten Männer in Verdacht hatte.«
»Das weiß ich leider auch nicht. Aber Karl war kein Mensch, der ungerechtfertigte Anschuldigungen machte.«
»Ein Unglück, daß wir seine Gründe nicht mehr erfahren! Aber zumindest haben wir einen Hinweis.«
Elissa griff nach seiner Hand. Sie fühlte sich warm und stark an, und ihr kam die Erinnerung, wie sicher er sie in der Kutsche im Arm gehalten hatte.
»Wie soll ich dir nur danken! Du kannst dir nicht vorstellen, wieviel es mir bedeutet, zu wissen, daß du mir helfen wirst.«
Adrian hob eine Augenbraue. »Dir helfen? Aber da gibt es doch gar keinen Zweifel, mein Engel. Ich werde mein Bestes tun, um den Kerl zu entlarven, und du wirst inzwischen zurückkehren nach Hause.«
Elissa blinzelte und hatte einen Augenblick lang Schwierigkeiten, ihn zu verstehen.
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