Bei Tag und Nacht
Kissen. So ein Mist!
Aber vielleicht war es ja besser so. Sie schwirrte ihm sowieso schon viel zuviel durch den Kopf, was ihm absolut mißfiel.
Er schwor sich, als nächstes seine Arbeit zu verrichten, und dann vielleicht einmal einen Besuch bei Cecily Kainz ins Auge zu fassen. Sie brachte sein Blut zwar nicht ganz so in Wallung wie Elissa, aber einfacher im Umgang war sie definitiv.
Die junge Dame sah aus dem Fenster der Kutsche und bemerkte kaum, was draußen vor sich ging, weil sie so wütend auf Adrian war. Sie hätte ihm nicht vertrauen sollen, hätte wissen müssen, daß er sich wie ein arroganter Schuft benehmen würde!
»Mir ist klar, daß Ihr verärgert seid«, begann der Major, der auf dem Sitz ihr gegenüber saß. »Aber er verhält sich so, weil er sich Sorgen um Euch macht. Er fühlt sich verantwortlich und möchte nicht, daß Euch etwas zustößt.«
»Niemand ist für mich verantwortlich. Ich kann auf mich selbst aufpassen.«
»So wie gestern abend zum Beispiel?«
Hitze stieg ihr in die Wangen. Sie dachte nur ungern an Steigler. »Ich bin dem Colonel dankbar für seine Hilfe. Natür-lich werde ich immer in seiner Schuld stehen; aber das darf mich nicht von meinem Ziel abhalten.«
»Ihr seid dankbar. Ist Dankbarkeit alles, was Ihr für ihn empfindet? Oder könnte es sein, daß ...?«
Warum drängte er sie, sich mit ihren Gefühlen auseinanderzusetzen, wenn sie sich gerade so große Mühe gab, sie zu ignorieren? »Ich gebe zu, daß ich den Colonel inzwischen ... äh .. . gern habe - dabei weiß ich nicht einmal, warum. Aber es ist so.«
»So wie er Euch«, bestätigte der Major. Er beugte sich vor und warf einen Seitenblick auf ihre Zofe. »Zweifellos ist jetzt nicht der richtige Augenblick, dies zu erörtern; aber ich glaube, Ihr solltet wissen, daß Colonel Kingsland sich in derart wichtigen Angelegenheiten nicht von Gefühlen leiten läßt. Seine Empfindungen reichen tief, und er hält sie unter Verschluß. Aber es ist ein Ausdruck seiner Zuneigung, daß er Sie fortschickt.«
Zuneigung! War es das, was Adrian für sie empfand? Ein derart belangloses Wort hatte keinerlei Ähnlichkeit mit dem Aufruhr in ihren Innern. Himmel, wenn er wüßte!
»Danke, Major, das werde ich mir merken!« Genauso wie die Tatsache, daß sie sich in ihn verliebt hatte. Worüber man natürlich nicht sprach ... Erst im Laufe des vergangenen schrecklichen Abends bei Steigler hatte sie wirklich begriffen, was Adrian ihr bedeutete.
Und bis heute hatte sie noch geglaubt, sie würde sich eines Tages in einen freundlichen, angenehmen Mann verlieben, vielleicht einen Gelehrten oder einen Geistlichen.
Ihr Vater hatte sich natürlich etwas ganz anderes vorgestellt, hatte gewollt, daß sie einen Adligen von Rang und Namen heiratete. Er hatte immer behauptet, sie würde eine Herausforderung brauchen - jemanden, der ihre leidenschaftliche Art verstand, sich aber davon nicht einschüchtern ließ.
Elissa hatte darüber stets gelacht. Bis sie Adrian begegnet war. Jetzt konnte sie sich ein Leben mit einem sanfteren oder weniger eindrucksvollen Mann gar nicht mehr vorstellen. Wolvermont war überlebensgroß, und in seiner Nähe fühlte sie sich genauso. Dann glaubte sie, alles würde ihr gelingen. Sie konnte nicht recht sagen, woher das kam; sie wußte nur, daß sie sich derart angezogen fühlte von seinem starken Wesen, wie sie es noch nie zuvor bei einem Mann erlebt hatte.
»Wir sind da, Mylady.«
Elissa nickte dem Major zu und bedankte sich für seine Begleitung. Erst als sie schon die Hälfte der Freitreppe hochgestiegen war, erhob der Butler Fritz die Stimme.
»Frau von Langen, die Herzogin möchte Euch bitte sehen. Sie hat mir aufgetragen, Euch sofort zu ihr zu bringen, sobald Ihr zurück seid.«
Das gnädige Fräulein atmete tief durch. Sie hätte wissen müssen, daß sie nicht so leicht davonkommen würde. »Wo befindet sie sich?«
»Im Gelben Salon. Bitte folgt mir.«
Dieser Salon war in Elfenbeinfarben und leuchtendem Zitronengelb dekoriert - an den Wänden standen meterhohe Topfpflanzen. Selbst an einem bedeckten Tag wie heute herrschte hier eine heitere Stimmung, und Elissa mochte den Raum besonders gern.
»Kommt herein, meine Liebe«, ertönte die Stimme der Herzogin aus einem tiefen Sessel beim Feuer. »Ich möchte Euch gern sehen.«
Die junge Frau errötete. Sie hatte den blauen Fleck am Kinn mit etwas Reispuder überschminkt, er war aber trotzdem noch erkennbar.
Die Herzogin runzelte die Stirn, als sie
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