Bei Tag und Nacht
Hause.«
Sie warf Adrian einen interessierten Seitenblick zu und drehte sich nach dem Diener Hans um.
»Seid Ihr sicher?« fragte der Lakai und wies zweifelnd auf Adrian.
»Jawohl, ganz und gar.«
Er verbeugte sich höflich. »Wie Ihr wünscht, meine Dame.« Nach einem letzten scharfen Blick trabte er davon.
Adrian nahm Elissas Arm. »Meine Kutsche steht gleich um die Ecke.«
Bald hatten sie sie erreicht, und Adrian setzte sich Elissa gegenüber, obwohl er sie viel lieber auf seinem Schoß gehalten hätte wie in der vergangenen Nacht.
Sie fuhren unter einer Straßenlaterne hindurch, und er bemerkte ihr vorgerecktes Kinn. »Nur zu, Colonel! Was wolltet Ihr mit mir besprechen?«
»Beispielsweise den Wahnsinn, in die Wohnung des Generals einzubrechen - aber da ich es auch nicht anders gemacht habe, verkneife ich es mir.«
»Gute Idee«, flötete sie.
Adrian lehnte sich zurück, sah zu, wie sie sich unter seinem Blick wand, genoß den Anblick des auf ihren Locken tanzenden Mondlichts, das volle Rosa ihrer Unterlippe. Als sein Körper hart zu werden begann, wandte er sich ab.
»Nun?«
Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. »Verdammt, mir gefällt das alles nicht.«
»Was gefällt dir verdammt noch mal, nicht?«
Das ging ihm entschieden zu weit. »Jetzt fluchst du auch noch. Erst brichst du in Häuser ein und dann so etwas!«
»Ich fluche nicht, sondern du. Und wovon redest du eigentlich?«
»Einen Spion willst du fangen - das ist es. Du gehst nicht zurück nach England. Offensichtlich schlägst du meine Warnungen in den Wind, daher bleibt mir nichts anderes übrig . ..«
»Ich verstehe kein Wort.«
»Du hast gewonnen! Ich werde mir von dir helfen lassen.«
Ihre Augen wurden groß. »Wirklich?«
»Für den Anfang. Aber auf meine Art, und du wirst meinen Anweisungen folgen - jeder einzelnen.«
Elissa gab ein blubberndes Geräusch von sich und strahlte so rührend, daß es ihm ganz eng in der Brust wurde.
»Es wird dir bestimmt nicht leid tun. Ich gehorche dir aufs Wort, in allen Einzelheiten!«
Er lachte leise. »Das glaube ich erst, wenn wir mittendrin sind. Inzwischen sollst du Augen und Ohren offenhalten. Ich werde dich auf dem laufenden halten und mich erst einmal nach Becker umschauen.«
»Zu Diensten, Colonel Kingsland. Wie Ihr befehlt, Sir!« Sie streckte den Arm aus, ergriff seine Hand und drückte sie. »Vielen Dank, Adrian.«
Stöhnend rieb er sich die Schläfen. »Was du auch tun magst, bedanke dich nicht bei mir, bis wir das alles überstanden haben und du wieder in England bist. Inzwischen sollte ich dich wohl wirklich bei der Herzogin abliefern.«
Elissa nickte, aber als er die Wärme ihrer Hand spürte und ihr Lächeln sah, schwankte er in seiner Absicht, sie nach Hause zu schaffen. In seine Arme schon eher! Doch dann fiel ihm auf, daß er auch gern einfach bei ihr saß, die Aufregung in ihrer Miene betrachtete und ihrem entzückten Geplapper zuhörte.
Diese Erkenntnis erschreckte ihn derart, kam so unerwartet, daß er ängstlich zurückwich und ihm leicht übel wurde. Adrian riß sich zusammen, plötzlich dankbar, sie loszuwerden und bald wieder allein zu sein.
16
Der Colonel drängte sich durch die Menge im Gasthaus Reiß, Jamie dicht hinter ihm. Das rauchige Haus lag am Nordrand der Stadt in der Nähe des Leopoldsplatzes und wurde von einer bunten Mischung von Griechen, Türken, Polen, Juden, Kroaten und Ungarn in ihren unterschiedlichen Landestrachten frequentiert.
Adrian und Jamie trugen wesentlich unauffälligere Kleidung,
einfache dunkle Hosen und grobgewebte Hemden mit weiten Ärmeln. In dieser Absteige war der Kurier des Falken ermordet worden, doch unter den Gästen schien sich niemand daran zu erinnern. Dann deutete der Wirt auf einen dickbäuchigen, glatzköpfigen Türken.
»Vielleicht fragt Ihr ihn. Wenn Janos nicht helfen kann, kann es keiner.«
Adrian warf eine Münze auf die Theke, die der Wirt in die Tasche seiner Lederschürze steckte. »Besten Dank!«
Er ging mit Jamie zu dem Mann hinüber, der in einer Ecke saß, den Stuhl an die Wand gelehnt.
»Heißt Ihr Janos?«
»Wen interessiert das?«
»Mich.« Adrian warf eine weitere Münze auf den verkratzten Holztisch. »Ich brauche eine Auskunft, die mir Gold wert ist. Der Wirt meint, Ihr könnt der Richtige dafür sein.«
»Was wollt Ihr wissen?«
»Vor ein paar Wochen muß ein Mann dagewesen sein, mittelgroß, schmal, dunkelhaarig, der am Schluß tot draußen auf der Straße landete. Wart Ihr an dem
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