Beifang
als über seine eigenen Vorurteile, und ließ die Liste ausdrucken.
Das dauerte, es waren immerhin einige hundert Namen, und zu jedem Namen war entweder »Ehefrau« oder »Begleiterin« als Anhängsel vermerkt, anderes schien in dieser Welt nicht vorgesehen. Er sah sich die ersten Blätter an, die aus dem Drucker kamen, die Namen waren alphabetisch geordnet, mit Verwunderung registrierte er den Eintrag: »Dr. Desarts, Eduard, Erster Staatsanwalt, mit Begleiterin...« Mit Begleiterin? Dann fiel es ihm ein: Vermutlich handelte es sich um die Tochter, Desarts’ Ehefrau war seit Jahren depressiv.
»Kommst du?« Im Türrahmen stand Wilma Rohm, das Gesicht etwas gerötet, Kuttler wusste nicht, ob das der Stolz war oder eine gewisse Verlegenheit.
Warum sollte er kommen?
»Dorpat muss etwas mitteilen... Wir haben eine neue Situation.« Kuttler war es zufrieden, dass sie von »Dorpat« und nicht von »Ivo« gesprochen hatte, und folgte ihr in Dorpats Büro. Die übrigen Kollegen hatten schon Platz genommen, Wilma gesellte sich zu ihnen, Kuttler lehnte sich neben die Tür an die Wand...
»Ja, Kollegen«, sagte Ivo Dorpat und ließ seinen Blick über
die in seinem Büro versammelte Mannschaft des Dezernats I streifen, »wenn einer schafft und tut und sich müht und am Ende glaubt, er hat seine Arbeit getan - so irrt sich der!«
Er senkte seinen Kopf und musterte noch einmal seine Notizen.
»Wir haben jetzt zwar die Baustelle Eisholm unter festem Dach«, fuhr er fort, »aber dafür kommt jetzt dieser Fall Morny ins Rutschen. Da hat sich ein Landrat aus dem Südbadischen gemeldet, der war mit der Morny am Abend vor ihrem Tod beisammen, und irgendwer hat ihn deshalb erpresst... Das geschieht zwar dem alten Bock ganz recht, aber jetzt sollen wir ihm den Erpresser aus der Hutschachtel zaubern...« Er schüttelte den Kopf.
»Kann der Erpresser etwas mit dem Tod der jungen Frau zu tun haben?«, fragte Wilma Rohm.
»Was weiß ich!«, antwortete Dorpat, »finden müssen wir ihn, dann können Sie ihn fragen, Kollegin, was Sie wollen.«
»Was wissen wir über die Beziehung zwischen diesem Landrat und der Toten?«, wollte der kleine Hummayer wissen. Kuttler feixte.
»Wissen! Was heißt das schon... aber heute Morgen, also da ist mir ein Vöglein zugeflogen, ein Vöglein aus... ach, irgendwo her, und hat mir gesungen, dass die Beziehung des Herrn Landrat Dingsbums zu dieser Fiona auf der solidesten Grundlage überhaupt beruht hat, die man sich denken kann, nämlich auf dem Prinzip Geld gegen Leistung. Zufrieden, Kollege?«
Wilma Rohm hob den Kopf. »Aber dann stellt sich der Fall doch auf einmal ganz anders dar...«
»Ja«, fiel ihr Dorpat ins Wort, »er stellt sich völlig anders dar, als er unter der Federführung des Kollegen Kuttler erarbeitet worden ist, und eben deshalb ist dem Kollegen jetzt auch das Feixen vergangen!« Er deutete auf Kuttler, der - noch immer an die Wand gelehnt - mit verschränkten Armen dastand. »Das ist schon ein Ruhmesblatt für uns, dass wir jetzt nachträglich herausfinden sollen, ob die Morny womöglich einen Zuhälter gehabt hat, toll wird sich das lesen, wenn einer dieser Zeitungsschmierer
das herausfindet...« Plötzlich schüttelte er den Kopf. »Entschuldigung, Kollege! Das alles ist für mich auch nicht lustig... Aus den Akten geht übrigens hervor, dass die Morny ihr Honorar - oder wie ich das nennen soll - hauptsächlich von den Neckarwerken bezogen hat. Der Richter Veesendonk will jetzt, dass der zuständige Sachbearbeiter dort erklärt, wofür genau und auf Grund welcher Vereinbarung oder Anweisung gezahlt worden ist... Genau der Auftrag, um richtig Feuer aufs Dach zu bekommen. Aber brennen tut es dann nicht bei Richters, sondern bei uns...«
Ein Telefon klingelte, Dorpat sah ärgerlich um sich, aber es war sein Apparat, und so nahm er den Hörer ab und meldete sich. Der Anrufer war Staatsanwalt Desarts, und Dorpat hörte ihm schweigend zu, ohne Zwischenfragen zu stellen oder einen Protest anzumelden.
»Na gut«, sagte er schließlich, »dann geht eben alles von vorne los.« Er legte den Hörer auf, stützte den Kopf in beide Hände und blieb einen Augenblick so sitzen. Dann wandte er sich wieder seinen Mitarbeitern zu. »Wir werden demnächst ein Fernschreiben aus der Schweiz erhalten, von der Kantonspolizei Thurgau. Günter Sawatzke ist am Mittwoch, dem dreizehnten Februar, gegen neunzehn Uhr dreißig von Polizeibeamten in der Nähe eines Wohnhauses im schweizerischen Kreuzlingen
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