Beim Naechsten klappt s bestimmt - Roman
meinen Schirm. Sieht aus wie eine Karikatur aus »Wer findet den Fehler?«.
Ein älterer Mann, der gerade in ein noch älteres Auto steigen will, erbarmt sich meiner und fragt mich, wohin ich will.
»Zu Salingers Haus, ich möchte ihm etwas geben.«
Er mustert mich mit einem Blick, der besagt: »Schon wieder so eine«, dann sieht er meinen Bauch und denkt: »Das ist die Absonderlichste von allen.«
»Ich weiß, dass er in Ruhe gelassen werden will, aber es ist wirklich wichtig, sonst hätte ich mich nicht allein bis hierher durchgeschlagen.«
Jetzt denkt er bestimmt, dass ich von Salinger schwanger bin und herkomme, um es ihm zu sagen!
»Na schön, aber bis dort rauf kann ich Sie nicht fahren, ich setze Sie unten an der Straße ab, denn Rest müssen Sie allein gehen.«
»Perfekt!«
Ich steige also in diese alte Kiste aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert, deren Beifahrertür nicht aufgeht, weshalb ich mich hinten hineinzwängen muss.
Noch einmal sehe ich die Straßen, die ich mit Edgar entlanggefahren bin, während wir sangen und lachten und er mir sein ganzes Leben erzählte. Wir kommen über die schöne alte, überdachte Holzbrücke, und ich erinnere mich noch genau an jede Einzelheit, als wäre es gestern gewesen.
Nicht zu glauben, dass das alles nun keine Bedeutung mehr für ihn haben soll.
Ich werde diesen Ausflug für immer in meinem Herzen
bewahren, auch wenn ich nach dem heutigen Tag ebenfalls damit abschließen werde.
»So, da sind wir, den Hügel müssen Sie zu Fuß hinaufgehen, meinen Sie, Sie schaffen das?«
»S-sicher! Vielen Dank fürs Mitnehmen.«
Scheiße, ist das kalt, er hätte mich ruhig auch noch das Stück bis da rauf fahren können.
Mit meiner eingeschränkten Beweglichkeit kraxele ich den Hang hinauf, der kein Ende zu nehmen scheint. Zu allem Übel ist der Boden aufgeweicht und mit rötlichem Laub bedeckt, was den Aufstieg noch beschwerlicher macht.
Endlich komme ich oben an, ich bin total nass geschwitzt!
Ich muss aussehen wie Rotkäppchen unter Drogen.
Im Haus brennt kein Licht, wohl aber in dem kleinen Zementschuppen, der offenbar als Arbeitszimmer dient, vielleicht ist er dort drin.
Es bleibt mir nichts anderes übrig, als respektvoll und geduldig in diesem verdammten prasselnden Regen zu warten, mit meinem roten Schirm, dem grün karierten langen Wollrock, den Blümchengummistiefeln und dem Roggenbrot in der Hand.
Vermutlich wird er auf mich schießen.
Anderthalb Stunden vergehen, ich bin blau gefroren, meine Entschlossenheit beginnt zu wanken. Was habe ich mir bloß dabei gedacht? Er ist fast neunzig, am Ende tickt er nicht mehr ganz richtig.
Als ich schon mit dem Gedanken spiele aufzugeben, sehe ich, wie sich in der Ferne eine Seitentür öffnet.
»Mister Salinger!«, schreie ich und bereue es sofort bitter.
Ich erkenne den hochgewachsenen Mann mit den weißen Haaren und der alten braunen Strickjacke wieder. Er dagegen erkennt mich nicht und starrt mich an, als würde ich einen Stepptanz mit Sahnetorte im Gesicht improvisieren.
»Wer ist da?«, fragt er abweisend.
»Mister Salinger, ich habe Ihnen etwas mitgebracht … ich gehe auch gleich wieder, ich habe es selbst gemacht, es ist ein … Roggenbrot, zu Ehren von Holden Caulfield und auch zu Ihren Ehren, weil Sie ja so von Makrobiotik besessen sind. Ich meine, ich wollte nicht besessen sagen … begeistert sind … und ich bin auch ein Fan von Körnern, wissen Sie …«
Ich nähere mich ihm ein Stück, unmerklich, wie ich dachte, doch er muss mit einem Sensor ausgestattet sein, denn er bellt sofort: »Bleiben Sie dort stehen, rühren Sie sich nicht vom Fleck!«
»Nein, nein, ich rühre mich nicht, kommen Sie ruhig zu mir, ich bin harmlos, wirklich, ich bin sogar schwanger, und ich habe diesen ganzen Weg zurückgelegt …«
Mit wachsamer Haltung, als erwartete er einen Hinterhalt, kommt er auf mich zu, wahrscheinlich hat er schon die übelsten Dinge erlebt.
»Sie sind ja völlig durchnässt«, sagt er stirnrunzelnd.
»Na ja … es regnet.«
»Kommen Sie rein und trocknen Sie sich ab.«
»Ich? Das ist nicht Ihr Ernst, oder? Machen Sie sich keine Umstände, ich wollte Ihnen nur das Brot geben, jetzt gehe ich.«
»Ich habe gesagt, kommen Sie rein.« Er dreht sich um und stapft aufs Haus zu.
»Okay, wenn Sie darauf bestehen.« Strauchelnd folge ich ihm.
Gleich falle ich um vor Aufregung und Angst, ich bin dabei, das Haus von J. D. Salinger zu betreten.
Ich folge ihm in die Küche, das übrige Haus
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