Beinah auf den ersten Blick: Roman (German Edition)
»Vier Punkte Abzug. Ich habe gewonnen. Du schuldest mir einen Fünfer.«
Sie bereiteten das nächste Spiel vor. Ash gab natürlich allein Will die Schuld für seinen Mangel an Konzentration und mochte ihn jetzt noch weniger als zuvor.
Mitten in der zweiten Runde spazierte Georgias Mutter in den Pub. Nicht, dass Ash sie zuvor schon einmal gesehen hätte, aber in Channings Hill wusste jeder, dass sie jetzt hier im Dorf wohnte, und offen gestanden brauchte sie auch kein Namensschild zu tragen. Abgesehen von der Tatsache, dass ihre Augen braun und nicht leuchtend blau waren, sah sie ihrer Tochter Georgia fast unheimlich ähnlich. Sie war groß und schlank, trug ein cremefarbenes Top mit Spitzenbesatz und die Art von blassgrünem Minirock, den die meisten Vierzigjährigen nicht mehr hätten tragen können. Viele Köpfe drehten sich zu ihr um, auch der von Will Newman.
Innerhalb von fünf Minuten wurde Ash Zeuge, wie man gekonnt einen völlig Fremden anbaggerte. Es war eine Offenbarung, als ob man einem kunstvoll choreographierten Tanz zusah. Während Georgias Mutter sich einen Gin Tonic besorgte und arglos im Pub umsah, trank Will sein Glas aus, ging zur Theke und stellte sich neben sie. Blicke und ein oberflächlich-höfliches Lächeln wurde ausgetauscht. Gefolgt von einem schon etwas bedeutungsvollerem Lächeln. Dann legte Georgias Mutter – Patty Summers, so hieß sie – einen Finger ganz leicht auf Wills rechten Unterarm und bewunderte seine Uhr. Daraufhin beugte er sich vor und murmelte etwas, das sie laut lachen und ihren Kopf in den Nacken werfen ließ. Dann drehte sie sich auf ihrem Barhocker so, dass ihre nackten Knie beinahe, aber nicht ganz, seine präzise gebügelten Hosenfalten berührten. Will galt nun ihre ungeteilte Aufmerksamkeit, und er genoss es offensichtlich. Man roch das Testosteron in der Luft, spürte die Reibung, konnte den verführerischen Charme förmlich einatmen.
»Sieh zu und lerne, Kumpel«, sagte Mac der Waliser und rieb seinen Kö mit Kreide ein.
Tja, genau. Nur dass es keine Fertigkeit war, die Ash jemals erlernen würde. Denn Patty und Will waren körperlich aneinander interessiert, und damit das geschah, musste man überhaupt erst einmal körperlich attraktiv sein. Ash beobachtete die Geschehnisse an der Bar und bemerkte Ähnlichkeiten mit einer Dokumentation über tierisches Balzverhalten. Da war das Beschnuppern, der signifikante Blickkontakt, es gab Berührungen und lebhafte Interaktion. Will lächelte provozierend, und Patty schälte sich aus ihren Kleidern …
Okay, nicht ganz, aber noch zehn Minuten und sie würde es tun. Und wenn sie es dann tat, war ziemlich offensichtlich, dass Will Newman nichts dagegen haben würde.
Es wurde ein lustiger Nachmittag. Die Schatzsuche erwies sich als voller Erfolg. Die Kinder verstanden sich gut, die Sonne schien den ganzen Nachmittag, und die Leute starrten Cleo nicht länger an, als sei sie der Elefantenmann. Mehr konnte man nicht verlangen.
»Will wartet schon auf uns.« Cleo zeigte auf sein Auto, als sie kurz vor sechs auf den Parkplatz fuhren.
Aber weit und breit war nichts von ihm zu sehen. Der Wagen war leer, das Hollybush hatte geschlossen, und der Biergarten vor dem Pub lag verlassen.
»Er macht wahrscheinlich einen Spaziergang. Ich rufe ihn an.« Fia zog ihr Handy heraus, wählte eine Nummer und sah auf. »Es ist abgeschaltet.« Zynisch murmelte sie: »Wie in alten Zeiten.«
»Ich habe Durst«, rief Saskia vom Rücksitz. »Kann ich etwas zu trinken bekommen?«
»Ich muss pinkeln«, verkündete Molly.
Rob sagte: »Ich habe Hunger. Gibt es Kekse?«
»Okay, kein Problem, wir gehen zu mir.« Cleo fuhr wieder auf die Straße. »Wo um alles in der Welt kann Will nur stecken?«
Als Ash hörte, dass sie vor dem Cottage vorfuhren, kam er heraus, um sie zu begrüßen. »Na, Spaß gehabt?«
»Es war toll«, sagte Cleo. »Du hast nicht zufällig Will gesehen, oder?«
Ash wartete, bis sie die Kinder zu Abbie ins Haus gelassen hatten. Ohne Fia anzuschauen, flüsterte er: »Er hat den Pub mit Georgias Mutter verlassen.«
Cleo runzelte die Stirn. »Warum? Er kennt sie doch gar nicht.«
»Ich denke, jetzt schon«, deutete Ash an.
»Aber sein Wagen ist noch da, wo sollen sie denn hingegangen sein?«
Ash zuckte mit den Schultern. »Tom und Georgia sind heute morgen zu so einem Motocross-Dings nach Devon gefahren.«
Ach, um Himmels willen. Ungläubig zog Cleo ihr Handy heraus und wählte die Nummer von Abbies altem Zuhause. Es
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