Beinah auf den ersten Blick: Roman (German Edition)
mir von jetzt an Mühe«, versprach Johnny. »Großes Indianerehrenwort.«
»Du bist kein Indianer.« Als sie zu ihrem Cottage kamen, schaute Cleo zurück, ob Will auch wirklich verschwunden war.
»Tja, danke fürs Heimbringen.« Es schien merkwürdig, sich so relativ gut mit jemand zu verstehen, den man so viele Jahre lang verachtet hatte. Sie zog ihre Schlüssel heraus. »Das nächste Mal, wenn ich dir im Pub begegne, darfst du mir sogar einen Drink spendieren.«
Auf diese Weise wollte sie den Abschied einläuten, denn ein Handschlag wäre zu komisch, und sie wollte ihm definitiv keinen Kuss auf die Wange geben. Doch Johnny ignorierte den Hinweis und trat vor die Haustür.
»Möglicherweise versucht er es noch einmal. Ich leiste dir noch ein wenig Gesellschaft.«
»Ehrlich, dazu besteht keine Veranlassung.«
»Das weißt du doch gar nicht. Jedenfalls ist es für mich kein Problem.«
Cleo steckte den Schlüssel ins Schloss. »Für dich vielleicht nicht.«
»He, ich bleibe nur auf einen Kaffee. Das schaffst du doch wohl, oder?« Mit ausdruckslosem Gesicht sagte er: »Es ist ja nicht so, als ob ich dich bitten würde, für mich zu kochen.«
Wenigstens stank dieses Mal die Küche nicht nach Angebranntem. Sie brühte Kaffee auf und reicht Johnny einen Becher.
»Weißt du, es kommt mir fast so vor, als würdest du meine Gesellschaft nicht genießen.«
»Es war ein schlimmer Tag.«
»Ja, ziemlich schlimm, nehme ich an. Herauszufinden, dass dein Freund nicht der tolle Fang ist, für den du ihn gehalten hast.«
Cleo griff nach der Keksdose. Anders als Männer enttäuschten einen Schokoladekekse niemals. Wenn sie daran dachte, wie sie mit Will vor Johnnys Nase herumstolziert war und damit angegeben hatte, was für einen phantastischen Freund sie sich ergattert hatte. Wie verzweifelt sie hatte beweisen wollen, dass sie nicht die Loserin war, die er und seine Freunde all die Jahre in ihr gesehen hatten.
»Du hast dir viel von ihm erhofft, nicht wahr?«
Um Himmel willen, er gab sich mitfühlend, streute aber gnadenlos Salz in die Wunde.
»Eigentlich nicht«, log Cleo.
»Ach komm schon, hast du doch. Es war ziemlich offensichtlich.«
Angesichts seines Mangels an Takt verdrehte sie die Augen. »Willst du eigentlich, dass ich mich noch elender fühle? Für wen arbeitest du, die Anti-Samariter?«
»He, ich tue mein Bestes.« Johnny lächelte. »Ich dachte, Frauen sprechen gern über so was.«
Cleo nickte und erklärte: »Mit anderen Frauen.«
»Oh, tja, da kann ich dir leider nicht behilflich sein. Darf ich mir einen Keks nehmen?«
Es waren nur noch vier übrig. Zögernd reichte sie ihm die Keksdose. Er nahm zwei.
»Jedenfalls ist er ein Idiot«, erklärte Johnny. »Du bist ohne ihn besser dran.«
»Danke, das weiß ich.«
»Du findest jemand anderen. Irgendwann.«
»Weiß du was?« Cleo schüttelte den Kopf. »Dieses ganze Ich-versuche-eine-Frau-zu-sein … das funktioniert bei dir nicht.«
Er lächelte andeutungsweise. »Ich will ja nur helfen.«
»Na schön, erstens weiß ich, dass ich jemand anderen finden kann, wenn ich will. Zweitens war Will nur mein Freund, nicht die große Liebe meines Lebens.« Sie zählte an den Fingern ab und fragte sich, was drittens sein würde, denn wenn man mit den Fingern zählte, mussten es immer drei Dinge sein. »Und drittens brauche ich sowieso keinen Mann.«
Johnny lehnte sich gegen den Kühlschrank. »Ah, die alte Ich-brauche-keinen-Mann-Kiste. Ich liebe diesen Spruch.«
Sie seufzte. »Was soll das jetzt wieder heißen?«
»Ich meine, es klingt toll, und Frauen sagen gern solche Sachen, weil sie dann stark und unabhängig klingen. Aber es stimmt ja eigentlich nicht. Tief in ihrem Innern geraten sie in Panik, werden immer verzweifelter, und ehe sie sich versehen, werfen sie sich dem nächstbesten Kerl an den Hals.«
»Das ist unglaublich herablassend!«
»Passiert doch ständig.« Johnny zerbrach seinen Keks in zwei Teile.
»Ich mache das nicht. Das würde ich nie.« Cleo war empört.
»Verlass dich drauf, binnen zwei Wochen singst du ein anderes Lied. Vermutlich stürzt du dich dann auf … wie heißt er doch gleich wieder …« Er zeigte auf die Wand zur Rechten. »… dieser Radiofuzzi … Der Typ von nebenan.«
»Ash?« Ha, da lag er ja nun gänzlich daneben. »Niemals! Er ist nur ein Freund. Und sag mir nicht, ich sei verzweifelt, denn das bin ich nicht. Ich komme sehr gut allein zurecht.«
»Kein Grund, bissig zu werden. Bestimmt hast du recht.«
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