Beinah auf den ersten Blick: Roman (German Edition)
Lächeln der anderen fiel unsicher aus. Es war ja auch nicht annähernd lustig. Vielleicht sollte er sich erschießen und sie alle von dieser Qual erlösen.
»Ich muss jetzt weitermachen«, sagte Fia fröhlich in die Stille hinein. »Das Curryhühnchen bringe ich in wenigen Minuten. Mit Reis oder Pommes?«
Ash liebte Pommes. Aber nur Wilde aßen ein Currygericht mit Pommes. Männer von Welt, die den Telegraph lasen, Opern liebten und Eleganz verströmten – und die Frauen, die diese Männer attraktiv fanden –, rümpften die Nase über Menschen, die zu Currygerichten Pommes frites bestellten.
»Reis, bitte«, sagte Ash.
»Verdammt.« Frank bellte vor Lachen. »Das ist ein Novum. Was ist nur mit dir los, Alter? Willst du deinen Bauchspeck loswerden?«
Bis Fia mit seinem Essen kam, hatte Ash einen Plan ausgearbeitet.
»Hier bitte, Curryhühnchen mit Basmatireis.«
»Danke.« Es trat eine peinliche Pause ein, während er zusah, wie sie eine Schale mit Poppadoms und ein Auflaufförmchen mit Mango Chutney auf den Tisch stellte. »Übrigens, manchmal bekommen wir Karten für … äh … Sachen.« Roger Moore hatte sich offenbar verabschiedet, Ash merkte, dass er wieder sein altes Selbst mit dem Knoten in der Zunge war. »Beim Sender. Also, wenn ich … Sie wissen schon, mal klassische Karten bekomme, hätten Sie dann eventuell Interesse, was meinen Sie?«
Fia schwieg, als ob sie erst dechiffrieren musste, was er da eigentlich gesagt hatte. Schließlich meinte sie: »Tja, das klingt … hervorragend. Ja, gern. Danke.«
»Großartig!« Ash gab alles, um die Welle an Adrenalin unter Kontrolle zu halten. »Danke … ich wollte sagen, schön, ich sehe mal, was so reinkommt! Wahrscheinlich bekommen wir schon in den nächsten Tagen Karten … wir kriegen diese Dinger oft …« Oha, er war vom Knoten in der Zunge zu Dauerplapperer in unter zehn Sekunden mutiert. »Und wenn es etwas ist, das Sie gern sehen würden, dann wäre das großartig.« Okay, hör auf, großartig zu sagen. »Besser, als wenn wir die Karten wie sonst bei irgendwelchen Anrufaktionen raushauen. Die gehen sowieso immer an Idioten wie den Betrunkenen von letzter Woche, der zwei Plätze für Don Giovanni gewann und dachte, er würde Jon Bon Jovi sehen …«
»Aha. Tja, also, ich muss jetzt wieder kochen und servieren.« Fia zog sich mit einem Ausdruck der Verwirrung zurück. »Guten Appetit!«
30.
Kapitel
Wieder mal typisch. Wenn man kostenlose Eintrittskarten brauchte, verwandelte sich der Sender in eine eintrittskartenfreie Zone. Die Tickets für das große Konzert in der Colston Hall an diesem Wochenende waren bereits in einem Wettbewerb an einen Bauern gegangen, der darauf bestand, ein riesiger Fan von Prokofjew zu sein. Zwei weitere Karten für eine Opernaufführung in London, um den neuesten, heiß umschwärmten Tenor zu sehen, waren an einen begeisterten weiblichen Fan gegangen, dessen wettbewerbsentscheidender Anbaggerspruch für den Tenor, sollte sie denn das Glück haben, ihm zu begegnen, lautete: »Hallo, finden Sie, dass dieses Tuch nach Chloroform riecht?«
Ash lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und trommelte mit dem Kugelschreiber gegen die Zähne. Am vernünftigsten wäre es natürlich, einfach zu warten, bis die nächsten kostenlosen Karten im Büro eintrudelten.
Aber Geduld war noch nie seine starke Seite gewesen. Und nachdem er es geschafft hatte, sich in eine Situation zu lavieren, die man schon beinahe eine Verabredung nennen konnte, stand es völlig außer Frage, dass er jetzt einfach abwartete. Das bedeutete, er musste Karten kaufen. Auch gut, dann würde er das tun.
Fünf Minuten Surfen im Internet später war es vollbracht. Teuer vollbracht, weil das Konzert ausverkauft war und er Zuflucht bei eBay hatte suchen müssen. Zwei Karten im Parkett hatten ihn 140 Pfund gekostet. Es war ihm im Grunde egal, aber es war ein wenig frustrierend, so tun zu müssen, als habe er sie für umsonst erhalten.
Tja, das ließ sich jetzt nicht ändern. Weil es ja auch keine richtige Verabredung war, nicht wahr? Wenn Fia glaubte, er hätte für die Karten bezahlt, dann würde sie ihn unter gar keinen Umständen begleiten. Und dann würde er auch gar nicht den Mumm aufbringen, sie überhaupt einzuladen. Weil sie ihn für einen hässlichen, unbeholfenen, nicht begehrenswerten Trampel hielt und er ihr das nicht einmal zum Vorwurf machen konnte. Er steckte in mentalem Treibsand fest, mochte sie immer mehr und wurde in ihrer Gegenwart
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