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Beinssen, Jan

Titel: Beinssen, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goldfrauen
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Wichtelmännchen? Mit zwei gestandenen Weibsbildern gleichzeitig? Nie im Leben!«
    Aus dem Flur erklang herzzerreißendes Kindergeschrei. Katja stand auf, behielt aber ihre Ruhe bei.
    »Dann wünsche ich dir viel Glück für heute Abend. Ruf mal an und erzähl mir, was der komische Kauz wirklich von euch wollte.«
    »Mal sehen«, antwortete Sina ausweichend. Sie sah auf die Uhr. Noch drei Stunden bis zu ihrer Verabredung.

    10

    Vielleicht lag es am Kevin-Costner-Film, vielleicht auch an der milden Witterung: Vor der Einfahrt des Autokinos Marienberg standen die Autos Schlange. Gabriele reihte sich mit ihrem VW-Bus ein und murrte. Sie waren spät dran, und dass sie nun auch noch warten mussten, brachte den Zeitplan durcheinander.
    »Was hat Engelhardt geschrieben? Wo genau ist der Treffpunkt?«, fragte sie mit kaum unterdrückter Aggression in der Stimme.
    »Er hat eine Position in der fünften Reihe für uns reserviert«, antwortete Sina. »Im Übrigen kann ich nichts dafür, wenn wir zu spät kommen. Ich war pünktlich in deinem Laden.«
    »Ja, schon gut, Kleines. Ich wollte dich nicht anmotzen. Aber ich habe für dieses obskure Treffen einen Kunden vor die Tür setzen müssen und mich womöglich um ein gutes Geschäft gebracht.«
    »Tja, Pech gehabt«, gab Sina lapidar zurück.
    Endlich passierten sie die Kasse und fuhren auf das weitläufige Areal, das durch Flutlichter hell erleuchtet war. Die riesige Asphaltfläche war durch weiße Markierungen in Reihen und Parkparzellen unterteilt. Dominiert wurde die Freifläche durch eine gigantische, nach innen gewölbte Projektionsfläche. Sie hatte Ausmaße, hinter der sich jede herkömmliche Kinoleinwand verstecken konnte.
    »Wow!«, entfuhr es Sina. »Nicht übel. Dagegen ist mein kleiner Röhrenfernseher zu Hause ja gar nichts.«
    Gabriele quittierte Sinas Bemerkung mit einem weiteren Grummeln und steuerte den VW-Bus in die auf dem Ticket vorgegebene Parklücke. Kaum hatte sie den Motor abgestellt, erlosch das Flutlicht. Sina nestelte an dem Funklautsprecher, worauf eine scheppernde Stimme ertönte und Werbung für Eiscreme und Popcorn machte. Auf der riesigen weißen Wand erschien ein in überdimensionalen Lettern gesetzter Willkommensgruß.
    Sina blickte sich um. Rechts neben ihrem Bus stand ein roter Ford Sierra mit Rallyestreifen. Die Insassen, zwei junge Männer, waren gerade damit beschäftigt, Bierdosen zu öffnen. Auf der anderen Seite parkte ein Mercedes Kombi. Ein älteres Ehepaar hielt den Blick konzentriert geradeaus auf die Filmfläche gerichtet. Durch den Rückspiegel sah Sina einen VW Golf, auf dessen Vordersitzen ein junges Paar knutschte. In dem Wagen vor ihnen, einem dunklen Volvo, konnte sie nicht viel erkennen. Sie sah nur das kurze, rötlich schimmernde Haar eines einzelnen Mannes. Kräftig gebaut mit einem Stiernacken. Ein einsamer Cineast.
    Die Luft ist rein, dachte sich Sina. Doch wo blieb Engelhardt? »Meinst du, er kommt noch?«, fragte sie Gabriele.
    »Warten wir’s ab.« Gabi lehnte sich zurück und verschränkte die Arme.
    Nachdem der obligatorische Werbeblock vorüber war und die Eingangssequenz von ›Der mit dem Wolf tanzt‹ anlief, begann Sina, den eigentlichen Grund ihres Kinobesuchs allmählich zu vergessen. Sie tauchte ein in die Welt der Indianer, die Kevin Costner in seinem Film so ganz anders darstellte, als es die üblichen Western aus Hollywood machten. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Kultur und Soziologie der amerikanischen Ureinwohner – und eine spannende Romanze noch dazu.
    Sina ließ sich ganz auf den Film ein, fieberte mit Costner und lauschte der einfühlsamen Musik von John Barry. Sie hatte abgeschaltet und ihre Erwartungshaltung an diesen Abend auf Null reduziert. Dies war der Moment, als sich die Tür des Wagens öffnete.
    »Herr Engelhardt!«, stieß Gabriele mehr erschrocken als überrascht aus.
    »Ja, guten Abend«, nuschelte er und beeilte sich, einzusteigen. Auf der Rückbank nahm er Platz. »Könnten Sie dieses Ding«, er deutete auf den Lautsprecher, »könnten sie das bitte leiser drehen?«
    Sina gehorchte und sah den späten Besucher erwartungsvoll an. Denn wirklich gerechnet hatte sie mit seinem Erscheinen nicht mehr. Auch Gabriele war nun höchst konzentriert und voll der Neugierde. »’n Abend, Herr Engelhardt. Seltsamer Ort für ein Meeting, meinen Sie nicht auch?«, fragte Sina.
    Der Philatelist ging darauf nicht ein. »Ich werde nicht lange bleiben. Also hören Sie mir gut zu.«

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