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Beiss mich - Roman

Beiss mich - Roman

Titel: Beiss mich - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Voeller
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kommen konnte.
    Er ist abnorm bleich, rief ich mich zur Räson. Hastig legte ich den Kopf in den Nacken, bekämpfte tapfer die dabei auftretende Benommenheit und starrte furchtlos hoch in sein Gesicht. Ich versuchte den Grad seiner Blässe zu ergründen, doch ich sah nur, dass er schön war wie ein heidnischer junger Gott auf einem antiken Gemälde.
    »Wollen wir nicht Du sagen?«, schlug Solveig schüchtern vor.
    »Gern. Ich bin Martin.«
    »Solveig.«
    Beide starrten mich an, als hätte ich den Jackpot geklaut. Ich schwankte und wusste nicht, was ich sagen sollte. Solveig half mir auf die Sprünge.
    »Luzie«, sagte sie ungeduldig.
    »Lucia«, verbesserte Martin weich, und wie vorhin der Regisseur sprach er es italienisch aus, doch anders als bei dem Schluckspecht vom Film klang es von Martins Lippen wie eine Verheißung aus Tausendundeiner Nacht. Ich musste mich mit beiden Händen an der Wand abstützen.
    Vergiss nicht die Fingernägel, befahl ich mir. Die waren ziemlich spitz, ich erinnerte mich genau, dass es mir schon in Rainers Wartezimmer aufgefallen war. Zu spitz? Ich beugte mich vor und betrachtete nochmals seine Hände, vor allem die Fingernägel. »Eigentlich noch vertretbar«, murmelte ich unbesonnen.
    »Vertretbar?« Seine Stimme hatte einen leicht belustigten Ton angenommen.
    »Stimmt was nicht?« Solveig trat neben mich. Ihre Augen hatten sich deutlich verengt. Mir entging nicht, dass sie eifersüchtig war.
    Ich achtete nicht weiter auf sie, sondern riss mich zusammen, getrieben von einer Macht, die stärker war als Vernunft und Höflichkeit. Ich musste es einfach wissen! Hier und heute, in diesem Augenblick! Wenn ich es jetzt nicht herausbekam, war vielleicht alles zu spät!
    Ich holte tief Luft, einmal, zweimal. Und ein drittes Mal.
    Dann starrte ich ihn an, und er starrte mich an. Und in diesem Moment wussten wir es beide. Er wusste, dass ich es wusste, und ich wusste, dass er wusste, dass ich es wusste. Ich hatte mich nie geirrt, was ihn betraf, meine Annahme war von Anfang an richtig gewesen. Ich war nicht verrückt, ich hatte nicht halluziniert, ich hatte keinen Flashback gehabt. Ich hatte ganz einfach in der Klinik etwas gesehen, das tatsächlich dort gewesen war. Ihn.

8. Kapitel
    E s stellte sich als Vorteil heraus, dass ich vorhin so tief durchgeatmet hatte, denn mir blieb nachhaltig die Luft weg. Ich merkte es erst, als ich anfing zu japsen.
    Martins graue Augen wurden plötzlich schwarz, doch das mutwillige Funkeln war immer noch zu sehen. Er zog sich mit einer schwungvollen Bewegung das Cape herunter und drückte es mir in die starren Hände. »Du gestattest? Danke.«
    Solveig drückte mir den Kasten mit der Weinflasche zu siebentausendnochwas in die Arme. »Hier, halt das bitte auch mal. Aber nicht in die Küche stellen. Tu’s gut weg, damit die nächsten hundert Jahre keiner drangeht.«
    Und so blieb ich belämmert in der Diele stehen, völlig weggetreten von Grippe und Sekt, beladen mit Wein und Vampir-Cape, und musste hilflos und mit Aufruhr im Herzen mit ansehen, wie meine beste und liebste Freundin, meine zweite, bessere Hälfte, dieses Ungeheuer anhimmelte, es einhakte und in den Partytrubel ins Wohnzimmer geleitete. Und er, dieser Schurke, blickte über ihre Schulter zurück und zwinkerte mir zu.
    Im nächsten Moment waren sie im Gedränge der Gäste untergetaucht.
    »Verdammt«, murmelte ich. »Verdammt, verdammt.«
    »Probleme?« Lucas tauchte neben mir auf, einen vollbepackten Teller balancierend. Er schob sich eine Gabel von Solveigs berühmtem Scampisalat in den Mund und kaute mit vollen Backen. Kenntnisreich musterte er den Wein und das Cape. »Ein Mann mit Geschmack. Was macht er beruflich?«
    In meinem Kopf drehte sich alles. Ein paar der Leute, die in unserer Küche ein und aus gingen, waren doppelt vorhanden.
    »Er saugt den Leuten das Blut aus«, sagte ich geistesabwesend, während ich fieberhaft überlegte, was ich jetzt tun sollte.
    »Ach? Bei welcher Bank ist er?«
    Eine Möglichkeit war es, Zeter und Mordio zu schreien und damit die ganze Feier aufzumischen. Ich könnte Martin als das outen, was er war, und Solveig reinen Wein über ihn einschenken. Diese auf den ersten Blick bestechende Lösung entpuppte sich jedoch bei weiterem Nachdenken als Sackgasse, die auf direktem Wege zu besagtem Zimmer mit Gitterfenstern und Vollpension in Pillenform führte. Die Hälfte der Anwesenden würde glauben, ich hätte einen Flashback, die andere Hälfte würde meinen, ich sei

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