Beiss noch einmal mit Gefuehl
durch, um mich zu beruhigen. Doch meine Füße trommelten rastlos auf den Boden, als wollten sie irgendwohin. Ach, zum Teufel, dachte ich schließlich, beim nächsten
Fresstempel, den ich sehe, steige ich aus, und wenn es ein McDonalds ist!
Außer mir war nur noch ein weiterer Fahrgast in dem Bus. Eine Frau mit einem grauen Kapuzenpullover saß ein paar Reihen vor mir auf der anderen Seite des Mittelgangs. Ihr Kopf wackelte bei jedem Hubbel, als wäre sie eingeschlafen. Aus einem Impuls heraus überprüfte ich ihre Aura, was bei dem merkwürdigen, einerseits zu grellen und andererseits zu diffusen Licht im Bus gar nicht so einfach war. Eines aber war sicher: Es war nicht mehr viel von der Aura übrig. Die Frau war tot. So gut wie jedenfalls.
Ein Zombie.
Na, das traf sich ja gut!
Ich wandte mich dem Fenster zu und hielt nach der Krähe Ausschau, doch ich sah nur mein Spiegelbild in der dunklen Scheibe. Nachdenklich beugte ich mich vor, legte die Arme auf den Sitz vor mir und vergrub die Nase in den Ärmeln meines Ledermantels. Ursprünglich hatte ich angenommen, die Krähe sei ein Spion. Ich hatte viele - vor allem schamanistische - Hexen gekannt, die für kurze Zeit völlig mit einem Tier eins werden konnten. Beobachten war jedoch etwas anderes als Vorhersehen. Den Lauf des Universums zu erkennen; vorauszusehen, dass der Zombie in diesem Bus sitzen würde, und dafür Sorge zu tragen, dass ich auch dort war … nun, solche Dinge schrieb ich in der Regel der Göttin selbst zu.
Sie wissen schon: Fügung. Schicksal.
Mich beschlich plötzlich das verwirrende Gefühl, dass ich hier in diesem Bus sein sollte und dass die Krähe, wenn sie denn für jemanden arbeitete, von der Göttin selbst geschickt worden war.
Der Zombie drückte den Halt -Knopf und stand auf, als der Bus an der nächsten Station anhielt. Wir waren in einem Stadtteil, der mir völlig unbekannt war. Die Türen öffneten sich vor einem riesigen Wohnkomplex, einer wahren Betonburg. Während der Zombie mit schlurfenden Schritten vorn ausstieg, schlüpfte ich aus der hinteren Tür.
Der Bus pustete eine warme Wolke Dieselabgase in die Luft, als er wieder losfuhr. Ich blieb neben einem kümmerlichen Ginkgo stehen. Der Stamm hatte höchstens den Umfang einer Limodose, und als ich mich dagegenlehnte, geriet das Bäumchen gefährlich ins Schwanken. Ich gab mir größte Mühe, nicht aufzufallen, aber ich hätte mir gar keine Sorgen machen müssen. Die Zombie-Frau schaute nicht einmal in meine Richtung und schleppte sich mühsam Schritt für Schritt voran. Ich ging ihr nach und merkte sehr schnell, dass ich sie in meinem normalen Gehtempo innerhalb von Sekunden überholen würde. Aber wenn ich mich ihrer Geschwindigkeit anpasste, dann war es ziemlich offensichtlich, dass ich ihr folgte.
Ich überlegte, ob ich so tun sollte, als wäre ich betrunken, doch als ich es ausprobierte, kam ich mir wahnsinnig blöd vor, und außerdem sah ich nur aus wie eine versoffene Detektivin oder so.
Wahrscheinlich war es ganz egal, was ich tat. Bislang hatte mich die Zombie-Frau überhaupt nicht beachtet. Ich hätte vermutlich auch zu ihr gehen und ein Gespräch mit ihr führen können, während sie mich zu dem Voodoo-Priester führte. Falls sie überhaupt dorthin unterwegs war.
Glasscherben knirschten unter meinen Schuhen. Die Gehsteige waren durchgehend bis zum Randstein betoniert oder asphaltiert. Lediglich ein paar Pflanzlöcher hatte man gelassen, in denen junge Ebereschen wuchsen, die über und über mit Beerenbündeln behängt und deren Stämme mit schmiedeeisernen Gittern geschützt waren. Die neuen Straßenlaternen waren wie auf dem Highway Halogenlampen, die allem einen grünlichen Schein verliehen und zu meinen Füßen lange Schatten warfen.
Die Zombie-Frau bog ab und überquerte den Hof einer Grundschule. Ich blieb in der Nähe der Kletterstangen stehen und beobachtete, wie sie das mit Fingerhirse und Kletten gesprenkelte Baseball-Spielfeld überquerte. Jenseits des Maschendrahtzauns gab es nur noch wenige Straßenlampen. Bevor die Frau vollends in der Dunkelheit verschwand, flitzte ich ihr rasch hinterher.
Die Häuser in dieser Gegend waren alle nach dem Krieg im sogenannten Cape-Cod-Stil gebaut worden und standen dicht gedrängt in einer Reihe. Die Rasenpflege schien hier jedoch vernachlässigt zu werden. Überall wucherte Löwenzahn, und Maulbeerbäume und Kreuzdornsträucher schossen am Rand von Gehwegen und rings um die Häuser wie Unkraut aus
dem
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