Beißen will gelernt sein (German Edition)
vermischte; ein weiterer grauhaariger Mann, der zusammenfuhr, als Ersterer ihm wegen seines Verrats ewige Rache schwor; der Prunk und Pomp an Elisabeths Hof, die endlosen kalten Winter in Prag mit Eis und Schnee; der Geruch des Rauchs, der mich einhüllte und mir nicht nur den Atem, sondern auch das Leben nahm.
»Dein Vater hat jemanden bedroht?« Sebastians Stimme war sanft und seine Nähe ließ die Panik abflauen, die mich befallen hatte. Aber ich wollte seine Fragen nicht beantworten und nicht an diesen Teil meines Lebens zurückdenken, obwohl ich wusste, dass ich es wohl oder übel tun musste, wenn ich wollte, dass er mich verstand.
»Edward Kelley hatte sich schon früh mit einem Gelehrten namens John Dee angefreundet, der ihm bei seiner alchemistischen Arbeit unschätzbare Dienste erwies, die er später dazu benutzte, die Gunst von Herrschern und Kunden zu erlangen und an ihr Geld zu kommen. Als Dee merkte, dass Kelley nur ein Schwindler war, brach er den Kontakt zu ihm ab. Kelley hatte zwar einigen Erfolg mit Carmot, aber er hat die Eigenschaften des Stoffs nie richtig erkannt, und schon bald gelangte Dee zu viel größerem Ruhm als er. Kelley behauptete, Dee habe seine Ideen und alchemistischen Formeln geklaut, und schwor Rache. Er ging sogar so weit, Dee mit einem Fluch zu belegen.«
Sebastian streichelte mir den Rücken. Ich versuchte den Schmerz zu verdrängen, den mir meine Erinnerungen bereiteten, und schöpfte ein wenig Trost aus der Tatsache, dass Sebastian einer der wenigen auf dieser Erde war, die die Fähigkeit mit mir gemein hatten, solche Höllenqualen überleben zu können. Es war eine Art unausgesprochene Verbindung, die ich tief in meinem Inneren fühlte, denn bei Sebastian stieß ich auf Akzeptanz und Verständnis.
»Er ging nach Prag, um den wohlmeinenden Kaiser Rudolf II . um Hilfe bei Dees Vernichtung zu bitten, doch die Dinge wendeten sich gegen ihn, wie es bei ihm immer der Fall war. Als der Kaiser ihn ins Gefängnis werfen ließ, wurde ich als seine Helfershelferin verhaftet. Mein jüngerer Bruder war von Verwandten meiner verstorbenen Mutter außer Landes gebracht worden, aber für mich kam jede Hilfe zu spät. Ich wurde vor Gericht gestellt und als Verbündete des Teufels verurteilt. Sie haben mich allein aus dem Grund auf dem Scheiterhaufen verbrannt, weil Edward Kelley mein Vater war.«
Nun drohte mich der Erinnerungsschmerz zu überwältigen. Sebastian sagte nichts und streichelte nur weiter meinen Rücken. Ich schmiegte mich noch enger an ihn und ließ mich von ihm über meine inneren Qualen hinwegtrösten, bis sie allmählich verschwanden.
»Warum bist du als Tattu wiedergekommen?«, fragte er leise.
Ich atmete hörbar aus, nachdem ich unbewusst die Luft angehalten hatte. »Die Mutter meiner Mutter war eine mächtige Frau in ihrer Familie. In ihren Adern floss ägyptisches Blut und sie wurde in einer Gesellschaft, die eigentlich keine Klassenunterschiede kannte, als eine Art Edelfrau angesehen. Sie richtete ein Bittgesuch an einen Erzengel und wies darauf hin, dass ich nicht an der Sünde meines Vaters, den Fluch über Dee mit einem Dämonenfürsten ausgehandelt zu haben, beteiligt gewesen sein konnte, weil ich meine Seele behalten hatte. Es dauerte eine ganze Weile, aber irgendwann gelangte das Gesuch an eine wohlwollende Macht. Zwei Lebenszeiten nach dem Hilferuf meiner Großmutter wurde ich von dieser Macht für unschuldig erklärt und bekam ein neues Leben als Ersatz für das, das mir zu Unrecht genommen worden war.«
»Und als du wiedergeboren wurdest, hast du eine zusätzliche Seele erhalten.«
»Ja.« Ich seufzte. »Das war im Grunde ein Versehen. Ein neuer Gehilfe hatte die Wiedergeburtsanordnung offensichtlich nur flüchtig gelesen. Er hatte die Wörter ›Dämonenfürst‹ und ›Fluch‹ gesehen und angenommen, ich hätte eine Begnadigung erhalten, weshalb er mir bei der Wiedergeburt eine neue Seele gewährt hat.«
»Kein ausreichender Schadensersatz für das, was du erlitten hast«, sagte Sebastian dicht an meinem Ohr und ich erschauderte wohlig. Ihm meine Geschichte anzuvertrauen war nicht annähernd so schrecklich gewesen, wie ich befürchtet hatte, und mit einem Mal wurde mir nur allzu bewusst, wie eng umschlungen wir dalagen.
»Ich kann dich jetzt nicht beglücken, meine Auserwählte«, flüsterte er mir zu. Sein Atem kitzelte an meinem Ohr und mir liefen kleine Wonneschauer über die Arme. »Erst muss ich alles vernichten, was eine Gefahr für dein
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