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Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Gilvarry
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(B)oy.
    Von da an ging alles ganz schnell.
    Die Kleider der Show verkauften sich nicht, aber ich konnte diese zwölf Looks in eine Strick-Linie umarbeiten, die von zwei chinesischen Cousinen in Sunset Park hergestellt wurde. Ming und Lei. Professionelle Schneiderinnen, die Anweisungen befolgen konnten. Ahmed hatte die beiden für uns aufgetan. Wir konnten die handgemachten Kleider dann in Kommissionsläden in Manhattan und Brooklyn verkaufen.Ein paar Boutiquen in Los Angeles waren auch dabei, und plötzlich war auch schon wieder alles vergriffen. Die Läden und Boutiquen wollten Nachschub.
    Je erfolgreicher meine Linie wurde, desto müder und kraftloser fühlte ich mich jedoch in meiner Beziehung mit Michelle. Wenn die Arbeit deine ganze Seele verlangt, wird es schwierig, noch die nötigen Energiereserven für eine ernsthafte Beziehung aufzubringen. Mein Label war jetzt ein Full-time-Job, und wenn ich zum Sarah-Lawrence-College rausfahren musste, bedeutete das nichts als Stress. Ich will Michelles Gefühle für mich nicht einfach so abtun, aber mir kam es vor, als hätte ich zwei Lasten zu tragen: mein Label und Michelles Seelenzustand. Ich befürchtete langsam, dass sie manisch-depressiv war. Wie sie manchmal ins Leere starrte, die Tränen nach dem Sex, die unbeschrifteten Pillenfläschchen in ihrer YSL-Handtasche und die Obszönitäten erst, die sie mir entgegenschleuderte, wenn wir uns stritten, wie ein zeitweiliges Turett 55 – »Tucke«, »schwule Ratte«, »Arschloch«. Sie hatte ein ziemliches Mundwerk. Das hing alles zusammen. Man darf nicht vergessen, dass ich aus einer Arztfamilie komme. Sie hatte bestimmt eine bipolare Störung.
    Diese Ausbrüche wurden noch schlimmer, als ihre geliebte Großmutter starb. Der alte Knochen hatte einundneunzig Jahre durchgehalten, fast ein ganzes Jahrhundert harter Arbeit. Aber Michelle fand nicht, dass Oma eine faire Chance bekommen hatte. Ich verbrachte zwei ganze Tage an Michelles Seite bei der Totenwache im Montauk Club auf der Eighth Avenue in Brooklyn. Ich musste sogar mit nach vorne an den Sarg und mir die Leiche anschauen. »Sie hat doch gerade erst mit einem neuen Gedichtband angefangen«, sagte Michelle. »Sie war so glücklich, wenn sie schrieb und auf ihr Leben zurückblickte. Warum durfte sie das Buch nicht noch beenden?«
    »Vielleicht kannst du es für sie zu Ende schreiben«, schlug ich vor. »So als Gemeinschaftsprojekt.«
    »Nicht solange ich trauere. Lass mich doch einfach trauern, du dummes Arschloch, und nimm mich in den Arm.«
    Ich wollte Michelle verlassen, und Ahmed versuchte, mir durch meine Gewissenskrise zu helfen. »Mach schon, lass dich auf diese Affäre ein. Das hilft immer«, versprach er. »Was meinst du, wie ich so schnell über meine zweite Frau hinweggekommen bin?«
    »Ich dachte, du bist nur einmal verheiratet gewesen.«
    »Das war Sheela. Ich war später noch mal sechs Wochen verheiratet, mit einer Tänzerin in Lahore. Yasmin. Dann ist sie nach Bollywood abgehauen, und ich habe nie erfahren, was aus ihr geworden ist. Ich stelle mir manchmal vor, dass sie die Krätze oder so was gekriegt hat und sich ein Bein amputieren lassen musste. Wie schön ihre Beine waren! Ich weiß – grausam und brutal, aber so ist das in der Liebe. Naja, auf jeden Fall hat mir dann eine Blonde mit dicken Titten über sie hinweggeholfen. Eine Prostituta . Lass dir einfach mal gepflegt den Prügel lutschen, und glaub ja nicht, dass du irgendwem etwas schuldig bist.«
    »Das war jetzt nicht gerade das, was ich im Angesicht der Versuchung hören wollte.«
    »Hör zu. In meinen beiden Ehen war ich hundert Prozent treu. Ich habe dir jetzt ein paar von meinen Bettgeschichten erzählt, aber jetzt muss ich die Hosen runterlassen. Ich hab meine Frauen nie betrogen. Kein einziger Ausrutscher. Und das zu einer Zeit, als ich mit den obersten Zehntausend der Welt verkehrte. Dinner mit Lady Di, Prinz Charles und Boutros Boutros-Ghali. Dein Ahmed mittendrin, Baby. Und ich wurde mehr als einmal in Versuchung geführt. Eindeutige Angebote, Boy. Nicht diese Models, die du so toll findest, sondern richtig scharfe Frauen. Und jetzt? Jetzt bereue ich esjeden Tag. Ich war ein Dummkopf. Wenn ich an diese Zeit der freien Liebe zurückdenke – die frühen Neunziger – und was ich alles hätte anders machen sollen. Du bist noch jung, Boy. Du musst deinen Spaß haben. Mach nicht die gleichen Fehler wie ich. Sei nicht so dumm. Vögel dich durch die Weltgeschichte. Wenn es mit diesem

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