Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
neuen Mädchen nicht klappt …«
»Rudy. Sie heißt Rudy.«
»… wenn es mit dieser Rudy nicht klappt, gehst du wieder zurück zu Michelle. Wenn Michelle es rauskriegt, verlässt sie dich, dann bist du frei und kannst das Leben genießen. Dann hast du nichts zu bereuen. Schuldgefühle kommen und gehen. Verpasste Chancen bleiben für immer.«
»Na, ich weiß nicht.«
»Ich mein es ernst. Was willst du denn noch hören?«
Ich nahm Ahmeds Rat nie einfach so an, aber ich hatte verstanden, was ich tun musste. Ich musste meine gutmütige Natur ablegen, um zu bekommen, was ich wollte. Als Kinder machen wir das andauernd. Mal um bei den richtigen Leuten dazuzugehören, mal bei den falschen. Und das ändert sich auch nicht, wenn wir erwachsen werden.
Unser Finale würde schnell, aber nicht leise über die Bühne gehen. Ich suchte mir einen jener warmen Septemberabende in der Stadt aus, an denen der Mond schon in der Dämmerung seine unwirkliche Aufwartung macht. Galerie-Hopping in Brooklyn. Nichtssagende Kunst. Billiger Weißwein, um mir Mut anzutrinken. Wenn ich genug Mut zusammenhatte, würde ich mich über Kopfschmerzen, eine Migräne beklagen. Sie würde das Signal verstehen und vorschlagen, zu mir zu gehen. Dort würde ich mich dann geschickt aus unserer zweijährigen Beziehung herauswinden, während der nicht ein einziges Mal das Wort »Beziehung« gefallen war.
Die Trennung verlief ziemlich genau nach Plan, bis wir beimir zu Hause ankamen, wo ich dem armen Mädchen den Pflock durchs Herz rammen sollte. Wie hätte ich denn nicht schwach werden sollen, als Michelle mich aufs Bett hinunterzog und mit beißender, herausfordernder Aggression küsste? Sie setzte sich auf und löste mir den Gürtel. Wir küssten uns weiter, während sie mich mit der Hand bearbeitete. Die Schuld übermannte mich erst, als sie mich in den teilnahmslosen Mund nahm.
Ich musste sie aufhalten.
»Was ist denn?«, fragte sie.
»Ich bin ein Schwein, Michelle. Du hast was Besseres verdient.«
»Wovon redest du?«
»Ich hatte was mit einer anderen.«
»Was?«
»Heute. Ich hatte heute was mit einer anderen.«
»Mit wem? Was soll das heißen?«
»Ich hab dich betrogen.«
Rudy Cohn und ich trafen uns zu dem Zeitpunkt schon regelmäßig, aber selbstverständlich nicht an dem Nachmittag. Ganz so widerlich, wie ich tat, war ich auch wieder nicht. Ich log. Denn wie hätte ich ihr die Wahrheit sagen können? Es liegt an dir. Ich kann dich nicht mehr sehen.
Eine saubere Trennung gibt es nicht. Wenn zwei sich trennen, kommt ein ganzer Prozess in Gang – man trifft sich auf einen Kaffee zur richtigen, platonischen Uhrzeit, man gibt sich Sachen zurück und ruft sich um zwei Uhr morgens an. Monatelang. Und ich weiß noch, wie ich während dieser unerträglichen Zeit oft dachte: Wann bin ich endlich frei?
Komisch, das ist jetzt zwei Jahre her, und ich stelle mir immer noch dieselbe Frage.
...
IM BETT MIT DEM FEIND
...
In der Sitzung heute Morgen erfuhr ich, dass meine Ex, Michelle Brewbaker, die Schlampe von Bronxville, ein Stück über mich geschrieben hat. Dieses Stück mit dem vielsagenden Titel Im Bett mit dem Feind oder: Wie ich einem Terroristen verfiel schlägt große Wellen, wie die New York Post vom 15. September berichtet (vor über einem Monat). Special Agent Spyro war so nett und hat mir den Artikel mit ein paar zensierten Details bezüglich des Spielortes überlassen. Da ich weder ein Feind noch ein Terrorist bin – was bald bei meiner Verhandlung bestätigt werden wird –, bin ich guter Hoffnung, dass dieses Off-Broadway-Machwerk 56 ohne große Beachtung sanft in jene gute Nacht gehen wird. Als der Artikel gedruckt wurde, befand sich Im Bett mit dem Feind noch in den Proben und die Premiere sollte am dreißigsten September stattfinden; es lief jetzt also bereits seit zwei Wochen.
»Ich hätte gerne den Text des Stücks, wenn das ginge«, bat ich Spyro.
»Mal sehen, was sich machen lässt. Sie wissen ja, wie schwierig es ist, Lesestoff herzubekommen, der muss immer durch alle möglichen Stellen. Wie der Artikel hier. Der ist vom September, und jetzt haben wir Mitte Oktober.«
»Bitte versuchen Sie es«, sagte ich.
»Ich schau mal.«
Ist das nicht der Verrat schlechthin? Noch hinterhältiger als damals, als Michelle mich mit ihrem Exfreund Todd Wayne Mercer betrog. (Sie traf sich mit ihm »auf ein Bier«, woraus ein Hoegaarden zu viel wurde, aber da ich zu dem Zeitpunkt schon mit Rudy Cohn schlief, war es mir ziemlich
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