Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
synchronisiert, alle legten gleichzeitig los. Ich habe mich mittlerweile an solche Ausbrüche gewöhnt. Ich war ja schließlich selbst einmal das Ziel, damals auf dem Hof. Nur leisteten sie diesmal Widerstand, als die Wachen sie aufforderten, Ruhe zu geben, und führten sich weiter auf wie wilde Tiere. Jeder Gefangene beteiligte sich vorbildlich an dem allgemeinen Chaos, schepperte mit der Zellentür, schrie, trat um sich und schleuderte aus seinem Styroporbecher Pisse nach den Wachen. Am anderen Ende des Blocks hörte ich Riads Stimme. Er war genauso laut dabei wie alle anderen. Er fluchte nicht mit seiner britischen Stimme, sondern mit seiner anderen, arabischen. Die Wachen setzten sich Masken auf, um keinen Urin abzubekommen. Es war krank. Einen Augenblick glaubte ich, die Gefangenen würden tatsächlich den ganzen Block unter ihre Kontrolle bringen, sie hätten irgendwie die Kraft,aus ihren Zellen zu entkommen und die Wachen zu überwältigen.
Und was passiert mit den Käfigtieren, wenn sie sich nicht benehmen?
Das SMERF 52 Squad wird gerufen, um sie zu sedieren. Das SMERF Squad besteht aus vier Wachen in schwarzen Schutzanzügen, die langsam und bedrohlich in einer Reihe den Flur entlangmarschiert kommen. Eins, zwei, drei, vier. Der erste Soldat trägt einen Schild, die anderen verschiedene Gerätschaften: Fußfesseln, Handschellen, Schlagstöcke, Pfefferspray usw. Sie fordern jeden Gefangenen einzeln auf, Ruhe zu geben. Die Gefangenen lassen sich davon natürlich nicht beeindrucken. Ganz im Gegenteil, wenn sie das SMERF Squad sehen, drehen sie alle erst richtig durch. Also betreten die SMERFs die jeweilige Zelle, während der Gefangene so weit von der Tür entfernt steht wie möglich. Zuerst wird er mit Pfefferspray eingesprüht, dann mit dem Schild gegen die Wand gerammt. Die SMERFs halten ihn dann gemeinsam fest, während er in Ketten gelegt wird. Wehrt er sich, setzt es eine Reihe nicht-verletzender Maßnahmen (Schlagstock, Faust, Stiefel usw.). Wenn die SMERFs den Gefangenen sediert haben, schleifen sie ihn an den Füßen und manchmal mit dem Gesicht nach unten aus der Zelle. Es ist ein hochgradig brutaler Autoritätsbeweis, aber absolut notwendig, besonders wenn die Gefangenen sich aufführen wie heute.
Ach, könnte ich doch nur zurück zu dem Abend meiner ersten Show, kurz bevor es losging! Dienstag, der 10. Februar 2004. Jedes einzelne Model stand backstage fertig gestylt stramm und wartete. Olya, Anya, Dasha, Kasha, Masha, Vajda, Marijka, Irina, Katrina und wie sie alle hießen. Anya in Seidenorganza, Vajda in fliederfarbenem Taft und Olya, meine liebe Olya, lief oben ohne mit Paillettenpasties herum!Wenn ich das noch einmal sehen dürfte, wäre ich glücklich. Meine Mädchen arbeiteten an diesem Abend alle kostenlos für mich, aber spätestens nach der Trunk Show würde ich sie bezahlen. Für einen Gefallen muss man sich revanchieren. Das hat Ahmed mir beigebracht. Als der Kredit von Hajji da war, schickte Ahmed ihm gleich eine Kiste Scotch, Black Label.
Meine erste Kollektion, Transparent Things, bestand aus nur zwölf Looks. Ein gestreiftes Abendkleid in schwarz und spargelgrau. Ein ultrakurzer Bloomer-Rock aus grauem Seidenorganza. Eine weiße Biesenbluse im Gouvernantenstil. Ein seetangfarbenes Pailletten-Cocktailkleid mit passenden Handschuhen und Käppchen. Eine durchscheinende schwarze Spitzenburka mit glitzerndem Stringtanga und passenden Pasties darunter. Ein schwarzes Seidencrêpe-Cocktailkleid mit Samtturban. Ein fließender Hosenanzug aus schwarzer Blumenspitze über einer Seidenbluse. Ein asymmetrisches schwarzes Spitzenkleid mit einer Lage besticktem Tüll darüber. Ein Bustier-Kleid aus fliederfarbenem Taft. Ein weißer Trapezrock aus schwerem Nylonsegeltuch. Ein seetangfarbener Rock aus Stretch-Gabardine. Ein Abendkleid, zwei Lagen pinkfarbener Organza. Wenn ich konnte, hatte ich einen winzigen Hauch von Farbe eingesetzt, hier und dort ein Pink oder Gelb auf kontroversem Schwarz oder sterilem Weiß. Denn Mode ist, wie Chanel einst sagte, gleichzeitig Raupe und Schmetterling.
Im Publikum saßen ein paar unbedeutende Redakteure von weiter unten auf dem Totempfahl; an nennenswerten potenziellen Käufern waren eigentlich nur Binky Pakrow von Neiman Marcus und Chester Pittman von Barneys da. Chester war ein Telly Savalas für Arme, ein Fettsack mit einem Faible für hübsche Jungs. Nach einem Lunch im Thompson Hotel hatte er einmal versucht, mich mit dem Versprecheneines bereits
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