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Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Gilvarry
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hastig aufgeschüttelt, wie wenn man draußen ein Bettlaken lüftet. Ich hörte Stoff reißen und wusste, dass meine Kleider zerfleddert wurden, wahrscheinlich die unfertigen auf den Schneiderpuppen. Ich sah Michelle nirgends. Jetzt konnte ich den Kopf nicht mehr bewegen. Ich versuchte verzweifelt, etwas zu erkennen, aber meine Augen gaben nicht mehr her. Michelles gedämpften Schreien nach zu urteilen, hatten sie sie ins Bad gesperrt. Da die Männer ihr beruhigend zuredeten, wussteich, dass sie keine Räuber oder Mörder waren. Dass sie Regierungsbeamte waren, die mich abholten, hatte ich allerdings noch nicht kapiert. Das verstand ich erst viel später. Der Mann drückte mir den Stiefel noch stärker in den Nacken. Ich wollte etwas sagen, irgendeine Art Frage stellen, aber ich konnte nichts ansatzweise Menschliches formulieren.
    Jemand anderes sagte etwas. »Waffen?«, fragte ein SMERF den anderen. Ich als Designer war über diesen Vorwurf denkbar schockiert. Dass ich Waffen in meiner Wohnung haben sollte wie irgendein Kleinkrimineller. Hier musste doch ein Missverständnis vorliegen.
    Mir wurde ein Sack über den Kopf gezogen.
    Der Stoff war mit irgendeiner Chemikalie getränkt. Keine Entführung ohne Betäubung des Opfers.
    Als ich aufwachte, war ich woanders.

...
    KRIEGSVERBRECHEN
    ...
    Heute schreibe ich nur meine letzte Reservierung nieder.
    »Geht es Ihnen gut hier?«, fragte Spyro.
    »Hab mich dran gewöhnt. Aber es sind und bleiben Horrorzustände«, erwiderte ich. Ich erklärte ihm meine Theorie, dass man sich an alles gewöhnt. Es beeindruckt mich immer wieder, wie schnell Menschen sich an ihre Umgebung anpassen können.
    Spyro wirkte nicht besonders interessiert.
    »Hören Sie zu«, erwiderte er. »Sie haben hier eine Vorzugsbehandlung genossen. Das muss ich Ihnen eigentlich nicht sagen. Sie sind ja nicht blöd.«
    »Was soll das heißen?«
    »Sie dürfen in Ihrer Zelle schreiben und zeichnen. Außer Ihnen hat keiner Stift und Papier. Sie kriegen frische Seife, regelmäßig neue Handtücher und Bettlaken, das ganze Zeug.«
    »Ich habe Stift und Papier, weil ich mein Bekenntnis aufschreiben soll.«
    »Das habe ich genehmigen lassen. All das haben Sie wegen mir. Auch die Zeitschriften, Zeitungsartikel, die Kritiken des Stücks. Sogar die Zeit haben Sie von mir, weil Sie darum gefeilscht haben.«
    »Wollen Sie etwa ein Dankeschön hören?«
    » Will ich ein Dankeschön hören? Nein. Darum geht es mir wirklich nicht. Jetzt sagen Sie mir mal: Meinen Sie, ein Vernehmungsoffizier vom Militär hätte Ihnen irgendeinen dieser Gefallen getan?«
    »Worauf wollen Sie hinaus?«
    »Die anderen. Die anderen Insassen. Die werden doch alle vom Militär verhört, und nicht von uns. Das haben Sie doch sicher mitbekommen.«
    »Die reden nicht viel mit mir.«
    »Dann müssen Sie es mir eben so glauben. Für die anderen ist das Militär zuständig. Die werden die ganze Nacht durch verhört. Viel Schlaf kriegen die nicht. Bei Ihnen ist das anders. Und alles meinetwegen.«
    »Herzlichen Dank«, erwiderte ich.
    Er sah mich an und überlegte. »Mir geht es nur darum: Für Sie wird es nicht immer so bleiben. Unsere gemeinsame Zeit ist fast vorbei. Ich muss Sie ans Militär übergeben. Die werden Ihnen Fragen nach Ihrer Festnahme stellen.«
    »Ach, bin ich also doch festgenommen worden?«
    »Genau solche Sprüche werden Ihnen eine Menge Ärger einbringen. Diese Typen fackeln nicht lange. Die stellen Ihnen dieselben Fragen wie ich, bloß wird das Ganze nicht mehr so nett ablaufen. Zum Beispiel müssen Sie die ganze Zeit stehen. Sie werden mitten in der Nacht verhört. Mal lässt man Sie stundenlang allein, dann müssen Sie zwölf Stunden am Stück reden.«
    »Nichts Neues.«
    »Und die wissen, wie sie jemanden zum Reden bringen. Das wird wirklich kein Spaß.«
    »Und jetzt kommt wohl das große, dicke ›Aber‹.«
    Spyro krempelte die Ärmel hoch. Ich konnte seine Gesten vorhersagen. Jedes Mal sah ich die Narbe auf seinem Unterarm, den Schweiß in seinen Haaren, seine Ticks. Er trommelte mit den Fingern, leckte sich die Lippen usw. Wie viele Stunden hatten wir schon gemeinsam verbracht?
    »Ich habe alles gelesen, was Sie bisher geschrieben haben«, erklärte er. »Wenn ich Ihr Bekenntnis mit meinem Bericht in Washington einreiche, entnehmen die dem Folgendes: Sie hatten regen Kontakt zu Waffenhändlern und bekannten Kriminellen. Männern, die unter internationaler Beobachtung stehen. Die in mehreren Ländern Einreiseverbot haben.

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