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Bel Ami

Bel Ami

Titel: Bel Ami Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Detlef Uhlmann
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hatte ihr erstes deutsches Wort gelernt, noch bevor sie mir die Stufen zur Eingangstür folgte: Nacht.
    Außer dem Hausmeister und einer polnischen Putzfrau befand sich um diese Zeit niemand im Bel Ami . Ich steuerte auf die Bar zu, öffnete routiniert die erste Flasche Champagner und bot Malila ein Glas an. Sie trank und folgte mir neugierig und etwas entspannter in die obere Etage.
    »Hier kannst du erst einmal bleiben, bis ich etwas anderes für dich gefunden habe.«
    Direkt nach dem Besuch bei ihren Eltern hatte ich mit einem Freund telefoniert, der eine kleine, aber sehr hübsche Pension betrieb. In zwei Wochen würde dort eine kleine Wohnung frei werden. Bis dahin müsste Malila, wie schon einige Ausländerinnen vor ihr, mit einem Zimmer im Bel Ami vorlieb nehmen. Sie betrat vorsichtig den Raum und sah sich um. Wie sie den Hals bog ohne die Schultern mitzubewegen, den Rücken durchstreckte und die Füße zuerst mit der Ferse auf den Boden setzte, erinnerte mich an meinen ersten Eindruck von ihr im Tropical : eine Katze.
    »Das ist sehr schön, Detlef!«
    Sie strich mit den Fingerspitzen über die vergoldeten Schnitzereien des Barock-Imitats, stellte Tasche und das leere Sektglas ab und begann sich langsam vor dem Spiegel zu drehen. Sie lächelte mich an, dann ihr Spiegelbild, wieder mich, drehte sich immer schneller und ließ sich schließlich rücklings auf das breite Bett fallen.
    »Komm zu mir, mein Schöner!«
    Sie war gerade erst 21 geworden und voll unverbrauchter Energie.
    »Wir haben heute noch einiges vor, Malila. Hier kannst du deine Sachen unterstellen. Dort drüben ist das Bad. Für den Fall, dass das Zimmer benutzt wird, möchte ich, dass ab 20 Uhr nichts mehr von dir hier herumliegt. Keine Zahnbürste, keine Unterwäsche, kein Glas«, ich zeigte auf den Champagnerkelch, den sie auf dem Tisch abgestellt hatte, »keine Marienbildchen, Kruzifixe oder was auch immer. Hast du das verstanden?«
    Mein Englisch war ganz brauchbar, aber nicht perfekt. Vielleicht kamen meine Erklärungen deshalb schroffer herüber, als ich es beabsichtigt hatte. Beunruhigt entdeckte ich aufsteigende Tränen und das Zittern ihrer vorgeschobenen Unterlippe. Also setzte ich mich zu ihr aufs Bett, strich ihr über die Wangen und küsste sie auf die Stirn.
    »Du bist wunderschön, Malila. Lass uns erst einmal essen gehen, okay? Und schau mal, bis du es dir in deiner eigenen Wohnung richtig gemütlich machen kannst«, ich suchte angestrengt die Tapete ab, bis ich ihn endlich entdeckt hatte, »kannst du deine Nossa Senhora ja hier aufhängen.«
    Ich zeigte ihr den kleinen Stahlstift, an dem vor einem Monat noch die elfenbeinblasse Mutter Gottes ihrer Vorbewohnerin gehangen hatte. Die Nossa Senhora war schwarz, trug eine Diamantenkrone und einen bodenlangen, blauen Umhang und war, wie mir Malila versicherte, schon 100 Jahre alt. Neben wenigen Kleidern und persönlichen Dingen, war es das Einzige, was Malila aus ihrem Elternhaus mitgenommen hatte. Sie lächelte mich dankbar an, wischte sich über die Augen und sprang vom Bett.
    »Ja, lass uns essen gehen!«
    Und sie meinte gehen ! Entschieden lehnte sie eine weitere Taxifahrt ab, zog sich in Ermangelung einer dicken Jacke zwei Pullover übereinander und mich hinaus auf die dämmrige Flatowallee. Ich war wenig begeistert von ihrer Idee und schätzte den Fußweg zum nächsten annehmbaren Restaurant auf wenigstens 20 Minuten.
    »Hörst du?«
    Malila war plötzlich stehen geblieben und suchte die Bäume auf der gegenüberliegenden Straßenseite ab. Die Straße war vierspurig mit einem breiten, begrünten Mittelstreifen, und ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, was dieses Mädchen auf der anderen Straßenseite zu hören glaubte. Mein Magen knurrte, ich war müde vom Flug, und ich vernahm: Autos – weit entfernt und direkt neben mir, ein Flugzeug über mir und » Like A Virgin« von Madonna, zumindest bis die Ampel umschaltete und das Cabrio mit quietschenden Reifen anfuhr.
    »Das ist ein Zaunkönig. Die gibt es bei uns auch!«, klärte sie mich fröhlich auf. Ich strengte mich ein bisschen mehr an und hörte es trotzdem nicht.
    »Die Ohren wollen nur hören, was sie kennen. Hast du eine Münze?«
    Genervt suchte ich aus meinem Portemonnaie eine Mark heraus.
    »Nein, kleiner!«
    Herrgott nochmal, was hatte ich mir da bloß eingefangen. Ich gab Malila einen Pfennig und sah ihr zu, wie sie ihn in die Luft warf. Er fiel auf den Gehweg, trudelte aus und blieb liegen.
    »Hast

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