Bel Ami
jetzt. Was denkst du, Detlef?«
Jetzt bloß das Richtige sagen. Aber was?
»Ja, denke ich auch. Hört mal zu, das gilt für alle. Simone ist meine Freundin. Ich liebe sie!«
Das klang aus meinem Mund und in diesen Räumen so hohl, dass ich mich selbst gruselte. Egal. Nicht nachlassen. Ein paar Mädchen begannen zu grinsen, und Karin machte wieder diese fiese Augenbrauen-Nummer.
»Es wird vielleicht am Anfang etwas ungewohnt sein, aber das wird dann schon. Machen wir uns das Leben nicht so schwer. Eine Runde aufs Haus für alle! Sagen wir ein Hoch auf …«, ich überlegte: Die innerdeutsche Freundschaft? Oder: Liebe ohne Grenzen? Ich entschied mich für: »… auf uns alle!«
Ich war stolz auf mich. Karin hatte alle Hände voll zu tun, die Flaschen zu entkorken, ein paar Mädchen prosteten Simone zu, Alicia umarmte sie sogar und hieß sie willkommen. Malila hatte sich schmollend an die Bar zurückgezogen, und Wolfgang meinte anerkennend, er fände Simone nicht nur sehr hübsch, sondern auch absolut beeindruckend. Das war mir gut gelungen. Der Abend war gerettet.
Und dann kam Katja.
Ich hatte echt genug von diesem Zickenkrieg und, fand ich, für einen Abend schon genug geleistet. Also hielt ich mich im Hintergrund und hoffte, nicht noch einmal eingreifen zu müssen. Katja durchschritt wie eine Königin den Raum und blieb vor der Dreiergruppe stehen. Alicia und Natalie erhoben sich und verließen den Ring. Ich sah, dass Alicia Katja im Vorbeigehen noch irgendetwas ins Ohr flüsterte, konnte jedoch nicht verstehen, was es war. Katja ignorierte es auf jeden Fall. Simone stand auf. Jetzt standen sich also beide gegenüber, die Alte und die Neue. Beide groß, beide blond und beide – im gleichen schwarzen Chanel-Kleid. Scheiße, schlimmer hätte es nicht kommen können. Katja stützte ihre Arme in die Hüfte und fing an zu lächeln.
»Du bist also Detlefs neues Mädchen?«
Simone starrte noch immer auf das Kleid, das Katja so viel besser stand. Schmalere Taille, größerer Busen. Längere Beine.
»Ich bin nicht …«, sie krächzte, räusperte sich und fing noch einmal an: »Ich bin nicht sein neues Mädchen, ich bin seine Freundin!«
»Oh, das bin ich auch. Das sind wir hier alle!«, rief Katja und sah sich im Raum um. Ein paar Mädchen lachten.
»Wie ich sehe, hat Daddy noch immer den gleichen Geschmack – was die Kleider angeht. Bei den Frauen scheint er etwas nachzulassen.«
»Na ja, vielleicht langweilt ihn auf Dauer auch …«, Simone gönnte sich einen langen Blick, »… ein zwar hübscher Körper, auf dem dann aber ein hohler Kopf sitzt.«
Ich hörte Rosi neben mir scharf die Luft einziehen.
Karin fragte halbherzig einen Gast, ob er noch einen Wunsch hätte.
»Du meinst, du bist besser als wir, oder? Wie alt bist du? 19, 20? Das denken wir am Anfang immer, oder? Dass wir die einzig Wahre sind, etwas ganz Außergewöhnliches, dass wir etwas haben, was die anderen nicht haben. Aber lass mich dir das Eine sagen, Schätzchen«, Katja brachte ihr Gesicht eine Handbreit vor Simones in Position, »auch du hast nur zwei Titten und eine Fotze. Genau wie wir alle!«
Simone war so weiß, dass ich beschloss, einzugreifen. Zu spät.
»Du hast das Herz vergessen, Katja!«
Ich blieb stehen und wartete auf ihre Reaktion. Verblüfft sah ich, wie Katja ihrer Schwester im Kleide den Arm um die Schulter legte und mit dem Finger langsam ihren Nasenrücken entlangfuhr.
»Du bist eine ganz Schlaue, was? Hör zu, ich schenk ihn dir. Echt, du kannst ihn haben. Viel Spaß damit. Ich würd mal denken, drei Monate, vielleicht sechs. Genieße es, solange es anhält. Ach ja, und noch ein Tipp: Nimm ein bisschen ab.«
Katja drehte sich um und kam jetzt auf mich zu. Sie genoss ihren Auftritt. Mit einem Arm auf die Bar gestützt, sah ich ihr entgegen. Ich nahm mir fest vor, Ruhe zu bewahren und die Situation unter Kontrolle zu halten. Katja stellte sich breitbeinig vor mir auf. Dann zog sie am Reißverschluss des verhängnisvollen Kleides. Sie sah mich an, als wäre ich ein Insekt in der Petrischale. Ich hörte jemanden schnalzen, einen anderen pfeifen. Die Irrsinnige trug jetzt nur noch BH, Slip, halterlose Seidenstrümpfe und ihre hohen, schwarzen Pumps.
»Hier, vielleicht passt deine Kleine ja mal irgendwann da rein!«
Damit warf sie mir das 600-Mark-Teil vor die Füße und schritt zum Ausgang. Es war Ende Mai, aber die Nächte waren noch kalt. Wir klebten an der großen Scheibe zum Garten wie die Besucher im
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