Bel Ami
diesem Wochenende legte ich ihr ganz Paris zu Füßen und mein Herz obendrauf.
V. Aufschwung
Vereinigung
Als die Mauer fiel, lagen wir am Stand von Singapore. In unserem Hotelzimmer klingelte ununterbrochen mein Funktelefon, bis sich der Akku irgendwann entladen hatte. Ich hörte nur das Klirren der Eiswürfel in meinem Glas und die Litanei des Meeres vor uns.
»Es ist wie im Märchen, Detlef. Nie, nie hätte ich mir träumen lassen, hier einmal zu liegen.«
Ich stellte mein Glas in den weißen Sand und begann Simones Rücken einzucremen.
»Übertreib es nicht. Ich glaub, du hast dich schon verbrannt.«
Unter meinen Händen fing Simone wie eine Katze an zu schnurren.
»Nicht aufhören. Ich will noch nicht gehen. Wenn ich die Augen aufmache und aufstehe, ist der Traum vielleicht vorbei.«
Sie war so gierig nach dem Leben, das ich ihr bieten konnte. Und ich liebte sie dafür.
Als Simone die Augen aufmachte, war der Traum tatsächlich vorbei. Eine Hotelangestellte gestikulierte wild mit Händen und Füßen, zeigte aufgeregt zum Hotel und versuchte, uns in furchtbarem Englisch davon zu überzeugen, ihr zu folgen. Ich vermutete Diebstahl, Brand oder sonst was, aber nicht die Bilder, die ich dann auf BBC World sah. Tausende von Menschen vor dem Brandenburger Tor, auf der Mauer, in den Straßen, zu Fuß oder in Trabbis, Fahnen, Sektflaschen, Tränen. Sie sangen. Es war unfassbar!
Simone drückte sich an meinen Körper und begann zu weinen. »Oh mein Gott!«, schluchzte sie, »Es ist vorbei, es ist vorbei, Detlef!«
Ich wusste nicht, ob sie die Trennung von ihrer Familie meinte oder unseren Urlaub. Am nächsten Tag flogen wir jedenfalls zurück.
Die Innenstadt von Berlin war komplett dicht. Menschen, Tausende von Menschen, und überall wurde gefeiert. Die Straße gehörte ihnen, nicht mehr den Autos. Wir brauchten sagenhafte drei Stunden von Tegel bis nach Spandau. Simone versuchte noch während der Fahrt, wenn man den Aufenthalt im Taxi so bezeichnen will, ihre Eltern zu erreichen. Ohne Erfolg. Da hatte ich mehr Glück. Karin berichtete mir, was in meiner Abwesenheit passiert war. Einerseits steckte mich ihre Aufregung an, andererseits hörte ich verärgert, dass sich seit zwei Tagen kein einziger Gast bei mir hatte blicken lassen. Die meisten Mädchen hatten sich frei genommen oder waren einfach nicht erschienen. Es tobte das Chaos. Nie hätte ich mir vorstellen können, dass ein politisches Ereignis wichtiger werden könnte als das Bedürfnis der Menschheit nach Sex.
»Vielleicht erreichst du ja deine Eltern? Bei mir geht einfach keiner ran!«
Am Kaiserdamm stieg Simone aus dem Taxi und versuchte, mit der U-Bahn nach Ost-Berlin zu kommen. Ich kämpfte mich weiter bis zum Bel Ami .
Und dort lief es schlecht – so schlecht, dass ich begann, mir Sorgen zu machen. Ich zwang mich, ruhig zu bleiben, fuhr zu meinen Eltern, betrat zum ersten Mal seit 26 Jahren wieder das Haus, in dem ich einst aufgewachsen war, drehte mit unserem Boot einige Kreise auf dem Müggelsee und zählte die Tage, bis sich die Aufregung wieder gelegt haben würde. Und das tat sie natürlich. Was als Desaster für mein Geschäft begonnen hatte, wurde der größte Aufschwung, den ich je erlebt hatte. Und nicht nur für mich.
»Ich liebe alle Ostler!«, schrie Alex, schwenkte eine Flasche im Wert von 1000 Mark über unseren Köpfen und ließ den guten alten Dom Perignon durch die Bar spritzen. Er besaß einen Autohandel und hatte in den letzten Tagen so viele Autos verkauft, wie im gesamten letzten Jahr nicht.
»Ich schreibe einfach eine Null dazu, und sie kaufen den Wagen trotzdem. Sie kaufen alles! Trinken wir auf die Ostler!«
Er lachte und bestellte und ließ Roland in die Tasten hauen. Simone verstaute das Bündel Hunderter in der überquellenden Kasse.
»Trink mit mir, du Schöne!«
Alex hielt einen roten Lackschuh in der Hand, der sinnloserweise vorn und hinten offen war, und goss Champagner hinein.
»Komm, trink!«
Simone trank vorn weit weniger, als hinten wieder herauslief. Es lebte der Überfluss! Ich ließ neue Flaschen holen und leerte die Kasse. Die Ossis kamen.
Ella aus Dresden hatte dicke, blonde Locken und einen süßen Silberblick. Petra aus Leipzig war brünett, streng frisiert und dominant. Veronika aus Rostock hatte wunderschöne, schlanke Beine. Die kleine, blonde Renate aus Ostberlin war Sprachstudentin, kam aus gutem Hause, schminkte sich nie und zog die Männer trotzdem an. Besondere Männer mit besonderen
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