Bélas Sünden
hätte ich sie ihm ins Gesicht gehauen.
»Du sagst am besten gar nichts mehr. Oder doch, du kannst mir ein paar Fragen beantworten. Wer war sie, und wie lange geht das schon? Ich bin ja in den letzten Wochen kaum noch unten gewesen, habe fast jeden Abend gearbeitet. Das sollte ich wirklich nicht tun, da bekomme ich nur die Hälfte mit. Wann gedenkst du, deinen Koffer und dein Keyboard zu packen? Sag mir nur rechtzeitig Bescheid, damit ich ein Klavier kaufen und einen Pianisten engagieren kann.«
Er küsste meine Hand, jeden einzelnen Finger bis hinauf zum Handgelenk.
»Liska, bitte, nicht aufregen jetzt. Musst du keine Angst haben, ich gehe nicht weg. Reden wir über die Sache, wenn es dir besser geht, hm? Es war nichts. Es war nur so ein Moment. Weiß ich gar nicht, wie es passieren konnte. Wird auch nicht mehr passieren. Glaub mir, Liska. Musst du jetzt schnell gesund werden, ja? Und dann nicht mehr so viel arbeiten. Und nicht diese schmutzige Geschichte. Das macht krank. Nicht nur dich, auch andere. Deine Zettel hab ich weggeworfen, damit Meta sie nicht findet. Was meinst du, was passiert, wenn Meta liest, was du geschrieben hast? Sie wird Heinz den Hals umdrehen.«
»Ich schreibe nicht über Heinz«, erklärte ich.
»Doch, tust du«, widersprach er.
»Mir musst du nicht ein Märchen erzählen.«
Er versuchte nur, mich vom Thema abzubringen, lächelte mich an.
»Jetzt wirst du gesund, dann kommst du heim zu mir. Brauche ich dich doch so sehr, Liska.«
Natürlich brauchte er mich. Ich hatte die Konzession! Wenn ich ihn vor die Tür setzte, durfte er wieder tingeln gehen. Ein paar alten Frauen zum Tanztee aufspielen, sich auf Hochzeiten, Geburtstagen oder Betriebsfeiern als Alleinunterhalter betätigen. Nach vier Tagen wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen, auf eigenen Wunsch und eigene Verantwortung. Ich hätte es keinen Tag länger in diesem Bett ausgehalten. Béla führte sich auf, als seien wir ein Jahr lang getrennt gewesen. Natürlich holte er mich ab. Ich war noch etwas wacklig auf den Beinen. Als wir daheim ankamen, ging ich hinauf in mein Zimmer und legte mich hin. Am späten Nachmittag stand ich wieder auf und warf einen Blick in mein Arbeitszimmer. Mein Schreibtisch sah aufgeräumt aus, er hatte tatsächlich all meine Notizen weggeworfen. Da lagen nur ein paar Briefe. Einladungen von Buchhändlern, die eine Lesung mit mir machen wollten. Der Verlag hatte die Schreiben an mich weitergeleitet. Insgesamt fünfzehn Anfragen, alle mit gleich lautendem Inhalt. Alle waren begeistert von
»Rote Träume«
. Es hatte auch bereits sehr gute Rezensionen gegeben. Die Buchhandlungen baten um schnelle Antwort. Aber ich konnte doch in der Situation nicht auf Reisen gehen. Fünfzehn Lesungen! Eine in Köln, das wäre kein Problem gewesen. Rein ins Auto, rauf auf die Autobahn, ein paar Stunden später wieder zurück. Aber all die anderen, Hamburg, Augsburg, Heidelberg, München, da konnte ich mich nicht anschließend in den Wagen setzen und zurückkommen. Um sechs rief ich Dierk Römer an und erklärte ihm erst einmal, dass ich gerade aus dem Krankenhaus entlassen worden war.
»Um Gottes willen, Lisa, davon wusste ich nichts. Ich hoffe, du bist wieder völlig in Ordnung. Was fehlte dir denn?«
»Es war nicht so tragisch«, sagte ich, fügte jedoch gleich hinzu, dass ich mich noch nicht kräftig genug fühle, um durch die Gegend zu reisen. Das sah Dierk ein, andererseits:
»Wann soll die erste Lesung denn stattfinden?«
»Die Termine kann ich selbst ausmachen.«
»Dann ist das doch kein Problem. Wenn wir ein paar Wochen weiter sind, geht es dir bestimmt wieder prächtig.«
Möglich, aber da war ja noch der neue Roman. Dierk kannte das Thema, ich hatte es mit ihm besprochen. Im Gegensatz zu Béla fand er, es sei ein Wahnsinnsstoff. Er wusste sogar, woher ich die Idee genommen hatte. Und er hatte keine Einwände erhoben. Das tat er jetzt.
»Lisa, du hast noch ein paar Monate Zeit, ehe du das Manuskript abliefern musst. Du solltest die Lesungen machen. Das ist 221 wichtig.«
Die Buchhandlung in München kannte er. Ein großes Haus, sie würden eine Menge tun, das wusste er aus Erfahrung. Rundfunk, Presse. Es war Werbung, die ihn keinen Pfennig kostete. Und ich konnte ihm nicht sagen:
»Tut mir Leid, ich muss zu Hause bleiben und meinen Mann lieben. Wenn ich ihm nicht zur Verfügung stehe, tut es vielleicht eine andere. Wenn es bis jetzt nur ein Moment war, es könnte rasch mehr daraus werden. Da muss er
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