Belgarath der Zauberer
gehört. Selbst der Dämonenfürst in Morindland wußte von mir. Wenn ich sogar in der Hölle bekannt war, mochte mein Ruf vielleicht auch in diese Berge vorgedrungen sein.
»’Grat?« sagte er.
»Belgarath«, verbesserte ich.
»’Grat.« Er sagte es mit einer gewissen Endgültigkeit. Vermutlich machte es ihm die Form seines Kiefers unmöglich, meinen Namen richtig auszusprechen. »Es ist gut, daß Grul das weiß. Grul merkt sich hier drin die Namen aller Menschen-Dinge, die er ißt.« Er schlug sich mit einem Vorderhuf an den Kopf. »Möchte ’Grat kämpfen, bevor Grul ihn ißt?« fragte er hoffnungsvoll.
Ich hatte schon schönere Angebote bekommen. Ich stand auf. »Geh weg, Grul«, sagte ich. »Ich habe keine Zeit, mit dir zu spielen.«
Ein furchtbares Grinsen verzerrte sein zottiges Gesicht »Nimm dir die Zeit ’Grat. Erst spielen wir. Dann ißt Grul.«
Das ging nun wirklich den Bach hinunter. Ich betrachtete ihn eindringlicher. Er hatte gewaltige Arme, die ihm bis zu den Knien hingen. Ich wollte gewiß nicht, daß er diese Arme um mich legte; deshalb drückte ich meinen Rücken fest gegen den Baum. »Du machst einen Fehler, Grul«, sagte ich. »Nimm das Reh und verschwinde! Das Reh wird nicht kämpfen. Ich schon.« Das war natürlich nur Prahlerei. Gegen dieses Ungeheuer hätte ich in einem rein körperlichen Kampf keine große Chancen, und es stand so nahe bei mir, daß jeder andere Versuch äußerst gefährlich war. Für einen Mann wie mich war das eine dumme Art und Weise, seine Karriere zu beenden.
»’Grat ist zu klein für Grul. ’Grat ist zu schlau, um das nicht zu erkennen. ’Grat ist aber auch tapfer. Grul sich wird daran erinnern, wie tapfer ’Grat war, wenn Grul ihn gegessen hat.«
»Du bist zu gütig«, murmelte ich. »Dann komm, Grul. Wenn du es dir unbedingt in den Kopf gesetzt hast sollten wir gleich anfangen. Ich habe heute noch Besseres zu tun.« Ich versuchte, ihn irrezuführen. Die Tatsache, daß dieses riesige Monster sprechen konnte, deutete daraufhin, daß es auch fähig war zu denken – zumindest ein bißchen. Durch mein Gerede versuchte ich, ihm ein wenig von seiner Selbstsicherheit zu nehmen. Ich wollte nicht, daß er mich überraschte. Wenn ich ihn dazu bringen konnte, daß er zögerte, besaß ich vielleicht eine Chance.
Meine offensichtliche Bereitschaft zu kämpfen hatte die erwünschte Wirkung. Grul war es nicht gewohnt, daß die Leute seine Körpergröße nicht beachteten; deshalb war er ein wenig vorsichtig, als er angriff. Darauf hatte ich gehofft. Als er mit den gewaltigen Armen nach mir packte, duckte ich mich darunter hindurch, machte einen Schritt nach vorn, zog den Dolch aus meinem Ärmel und fuhr ihm mit einer raschen Bewegung quer über den Bauch. Ich war mir über seine Anatomie nicht im klaren; deshalb wußte ich auch nicht, wo sich sein Herz befand. Bei seiner Größe waren seine Rippen vermutlich so dick wie meine Handgelenke.
Er starrte mich vollkommen verblüfft an. Dann sah er auf seine Eingeweide, die aus der klaffenden Wunde in seinem Unterleib hervorquollen.
»Ich glaube, du hast hier etwas verloren, Grul«, meinte ich.
Mit bestürztem Ausdruck umklammerte er mit beiden Händen seine Eingeweide. »’Grat hat Gruls Bauch aufgeschnitten«, sagte er. »Hat gemacht, daß Gruls Inneres herausfällt.«
»Ja, das ist mir aufgefallen. Willst du weiterkämpfen, Grul? Ich glaube, du solltest die Zeit besser nutzen und die Wunde zunähen. Du wirst dich nicht sonderlich schnell bewegen können, wenn dir deine Därme um die Füße baumeln.«
»’Grat ist nicht nett«, beklagte er sich und hielt dabei seine Eingeweide im Schoß.
Aus irgendeinem Grund kam mir das alles urkomisch vor. Ich mußte lachen, doch als ich die zwei großen Tränen sah, die ihm über das zottige Gesicht liefen, schämte ich mich ein wenig. Ich streckte die Hand aus, holte mit meinem Willen eine große, gekrümmte Nadel herbei und fädelte eine Rehsehne ins Öhr. Dann warf ich sie ihm zu. »Hier«, sagte ich. »Näh deinen Bauch wieder zusammen. Und denk daran, was geschehen ist falls wir einander jemals wieder begegnen sollten. Suche dir etwas anderes zum Essen, Grul. Ich bin alt zäh und sehnig; deshalb würde ich gar nicht gut schmecken – und du hast gewiß festgestellt daß ich nicht leicht zu erlegen bin.«
Die Sonne war inzwischen so weit aufgegangen, daß ich genug Licht zum Reisen hatte; deshalb trat ich ihm meinen Platz am Feuer ab und überließ es ihm,
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