Belgarath der Zauberer
einem Ruch zurück. Es war ein unglücklicher Umstand, daß das erste Wort, das Pol von ihrem Vater hörte, ein Fluch war. Ich starrte auf dieses unerbittlich dreinblickende kleine Mädchen. Eine Locke auf ihrer Stirn war bei meiner Berührung weiß geworden.
»Was für ein Wunder!« entfuhr es Beltira.
»Ein Wunder ist es eigentlich nicht«, wandte Beldin ein. »Sie ist seine Erstgeborene, und er hat sie nur gezeichnet. Wenn ich mich nicht irre, wird sie ein Zauberer werden.«
»Eine Zauberin«, verbesserte Belkira.
»Was?«
»Ein Zauberer ist ein Mann. Sie ist ein Mädchen, deshalb ist Zauberin das richtige Wort.«
Zauberin oder nicht – meine Erstgeborene war naß; deshalb legte ich sie zurück in ihre Wiege.
Meine jüngere Tochter war das schönste Baby, das ich je gesehen hatte – und das ist nicht nur Vaterstolz. Jeder, der sie sah, dachte ebenso. Sie lächelte mich an, als ich sie von Beldin entgegennahm, und mit diesem sonnigen Lächeln erreichte sie mein Herz und nahm es in Besitz.
»Du hast noch immer nicht meine Frage beantwortet, Beldin«, sagte ich und wiegte Beldaran in den Armen. »Wo ist Poledra?«
»Setz dich doch, Belgarath. Möchtest du etwas trinken?« Rasch zapfte er ein Faß an und schenkte mir ein.
Ich setzte mich an den Tisch und hielt Beldaran auf meinem Knie. Vielleicht sollte ich es nicht erwähnen, aber sie war nicht naß. Ich nahm einen tiefen Schluck und wunderte mich über das Verhalten meiner Brüder. »Hör endlich auf, mir auszuweichen, Beldin«, sagte ich, als ich mir den Schaum von den Lippen wischte. »Wo ist meine Frau?«
Beltira kam und nahm Beldaran.
Ich schaute Beldin an und sah zwei große Tränen in seinen Augen. »Ich fürchte, wir haben sie verloren, Belgarath«, sagte er mir mit Trauer in der Stimme. »Die Geburt war sehr schwer. Wir haben alles getan, was in unserer Macht stand, aber wir konnten sie nicht halten.«
»Wovon sprichst du?«
»Sie starb, Belgarath. Es tut mir leid, aber Poledra ist tot.«
TEIL DREI
DIE ZEIT DES SCHMERZES
18. K APITEL
ber den Verlauf der folgenden Monate kann ich euch keinen vollständigen Bericht geben, da ich mich an die meisten Geschehnisse nicht erinnern kann. Ich hatte zwar ein paar lichte Momente, die aber völlig zusammenhanglos waren. Ich bemühe mich sehr, diese Monate aus meinem Gedächtnis zu streichen; denn in einer Zeit des Wahnsinns herumzustochern ist kein sehr angenehmer Zeitvertreib.
Hätte Aldur uns nicht verlassen, wäre es leichter für mich gewesen, doch die Unabänderlichkeit des Schicksals hatte ihn zum für mich ungünstigsten Zeitpunkt von mir genommen. So erschien es mir, daß ich allein war; meine einzige Gesellschaft waren meine unerträgliche Trauer und der tiefe innere Schmerz. Es besteht kein wirklicher Grund, ausführlich darüber zu berichten. Ich weiß nun, daß alles, was geschehen ist, dem unerbittlichen Lauf des Schicksals folgte. Warum belassen wir es nicht einfach dabei?
Ich erinnere mich dunkel an lange Zeitspannen, in denen ich ans Bett gefesselt war. Beldin und die Zwillinge wechselten sich ab, über mich zu wachen, um der Gefahr vorzubeugen, daß ich den Beispielen Belsambars und Belmakors folgte. Dann, als meine selbstmörderischen Absichten schwächer wurden, banden sie mich los – nicht, daß dies etwas Besonderes bedeutete. Es erschien mir, daß ich stets in meinem Stuhl saß und tagelang zu Boden starrte, ohne daß mir bewußt wurde, wie die Zeit verstrich.
Da es mich zu beruhigen schien, Beldaran um mich zu haben, brachten meine Brüder sie oft in den Turm und erlaubten mir sogar, sie im Arm zu halten. Ich glaube, es war letztlich Beldaran, die mich vom Rande des Wahnsinns zurückholte. Wie ich dieses kleine Mädchen liebte!
Beldin und die Zwillinge brachten allerdings nicht Polgara zu mir. Diese eisigen grauen Augen schnitten große Löcher in meine Seele, und ihre Farbe wandelte sich von Tiefblau zu Stahlgrau, wenn nur mein Name erwähnt wurde. Vergeben konnte Pol nicht.
Beldin hatte meine allmähliche Rückkehr aus den Tiefen des Wahnsinns scharf beobachtet. Ich glaube, es war im späten Sommer oder im Herbst, als er schließlich ein trauriges Thema zur Sprache brachte. »Möchtest du das Grab sehen?« fragte er mich. »Ich habe gehört, daß Leute manchmal diesen Wunsch haben.«
Das ist mir natürlich nicht fremd. Ein Grab ist ein Ort, den man besucht und mit Blumen schmückt. Vermutlich dient es dem Zweck, den Trauernden zu helfen, die Dinge ins rechte Licht zu
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