Belgarath der Zauberer
ehe ich die Geduld verliere.«
»Das wirst du bereuen, Zauberer.«
»Nicht so sehr wie du, wenn du dich nicht augenblicklich in Bewegung setzt.« Ich deutete auf den Ritter, den ich in einen wandelnden Schinken verzaubert hatte, und der Mann bekam seine alte Gestalt zurück. Seine Augen wirkten starr vor Schrecken. Er starrte mich an; dann flüchtete er schreiend.
Der sture Baron wollte etwas sagen, änderte dann aber seine Meinung. Er befahl seinen Männern, aufzusitzen, und führte sie verdrossen Richtung Süden.
»Ihr könnt wieder nach Hause gehen«, sagte ich den Dienern. Dann kehrte ich zurück auf meinen Hügel, um sicherzugehen, daß der Baron sich mir nicht heimlich von hinten näherte.
Gewiß wäre diese Angelegenheit auch anders zu regeln gewesen. Es bestand kein Grund für eine direkte Konfrontation. Ich hätte den Baron und seine Ritter vertreiben können, ohne mich jemals selbst zeigen zu müssen, aber ich verlor die Geduld. Auf diese Weise bringe ich mich oft in Schwierigkeiten.
Wie dem auch sei, zwei Tage später sah ich zum erstenmal die sehr ausführliche Beschreibung eines ›bösen Zauberers‹, die fast an jeden Baum geheftet war, an dem ich vorbeikam. Die Beschreibung war ziemlich genau, aber die Belohnung, die für meine Gefangennahme ausgesetzt war, war beleidigend gering.
An dieser Stelle beschloß ich, direkt nach Tolnedra zu ziehen. Ich hatte keine Zweifel, daß ich mit jeder Reaktion, die ich meinem Gefühlsausbruch zu verdanken hatte, fertig werden konnte, aber warum sollte ich mich damit aufhalten? Arendien wurde ohnehin langweilig für mich. Ich war schon oft aus den verschiedensten Orten vertrieben worden; einmal mehr oder weniger machte also nichts aus.
l9. K APITEL
m frühen Morgen eines Spätfrühlingstages überquerte ich den Arendfluß, die traditionelle Grenze zwischen Arendien und Tolnedra. Am Nordufer patrouillierten mimbratische Ritter; aber das war für mich kein Problem. Ich habe ja schließlich einige Vorteile auf meiner Seite.
Im Wald von Vordue machte ich Rast, um meine Lage zu überdenken. Als mein Meister mich in Camaar aus meiner trunkenen Benommenheit gerissen hatte, gab er mir keine Anweisungen; deshal war ich mehr oder weniger auf mich gestellt. Ich hatte kein festes Ziel und auch keine Eile. Ich fühlte jedoch nach wie vor die Verantwortung, die auf mir lastete. Ich war sozusagen als Jünger meiner Pflichten entbunden – ein umherziehender Zauberer, der seine Nase in Dinge steckte, die ihn wahrscheinlich nichts angingen. Wenn ich auf irgend etwas Wichtiges stieß, konnte ich meine Brüder im Tal davon in Kenntnis setzen. Abgesehen davon, konnte ich gehen, wohin ich wollte. Mein Schmerz war nicht geringer geworden, doch ich lernte, damit zu leben und ihn unter Kontrolle zu halten. Die Jahre in Camaar hatten mich gelehrt, wie sinnlos es war, mich davor zu verstecken.
Und so – mit dem Gefühl beherrschter Melancholie -machte ich mich auf den Weg nach Tol Honeth. Da ich ohnehin in der Gegend war, wollte ich herausfinden, wie es um das Reich stand.
Auf meinem Weg nach Süden kam ich durch das Großherzogtum Vordue. Dort tat sich auf politischer Bühne einiges. Die Honethiter waren wieder an der Macht, und die Vordue-Familie betrachtete dies wie immer als persönlichen Affront. Viele Zeichen wiesen darauf hin, daß der Stern der Zweiten Honethitischen Dynastie im Sinken begriffen war. Das ist eine merkwürdige Eigenheit, die jede Dynastie in jedem Königreich der Welt betrifft. Der Gründer einer Dynastie ist für gewöhnlich eine in jeder Hinsicht herausragende Erscheinung, während seine Nachfolger im Laufe der Jahrhunderte degenerieren. Kontrollierte Inzucht bewirkt Wunder bei Pferden, Hunden und Rindern; bei Menschen aber wirkt sie sich eher nachteilig aus, wenn die Familie unter sich bleibt Schlechte Charakterzüge vererben sich ebenso wie gute, und Dummheit scheint rascher an die Oberfläche zu treiben als Mut oder Genialität.
Mit den honethitischen Herrschern ging es also seit etwa einem Jahrhundert bergab, und die Vorduvier geiferten bereits vor Erwartung und glaubten, nun bald den Thron übernehmen zu können.
Es war Frühsommer, als ich in Tol Honeth eintraf. Da sie selbst die Stadt gegründet hatten, widmeten die honethitischen Herrscher viel Zeit – und den Großteil des Staatshaushaltes – der Verschönerung der Stadt. Sobald die Honethiter an der Macht sind, lohnt es sich, sein Geld in Marmorsteinbrüche zu stecken.
Ich überquerte die
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