Belgarath der Zauberer
Nordbrücke in die Stadt und beantwortete am Tor die Fragen der Legionäre, die dort Wachdienst hatten. Ihre Rüstungen waren sehr beeindruckend; sie selbst waren es nicht. Ich stellte fest, daß die Legion nicht mehr in bestem Zustand war. Jemand mußte etwas dagegen unternehmen.
Auf der Straße drängten sich die Leute. So ist das stets in Tol Honeth. Jeden in Tolnedra, der sich für bedeutend hält, zieht es in die Hauptstadt. In der Nähe des Thrones zu sein ist für manche Leute sehr wichtig.
In gewisser Weise bin ich in religiöser Hinsicht eine Persönlichkeit; deshalb machte ich mich, wie in Arendien, auf die Suche nach einer Kirche. Der große Tempel war abgerissen und anderswo neu errichtet worden, seit ich das letztemal in Tol Honeth war; so mußte ich mich nach dem Weg erkundigen. Ich hielt mich nicht damit auf, einen der protzig gekleideten Kaufleute zu fragen, die sich mit überlegenem Gesichtsausdruck die parfümierten Taschentücher vor die Nasen hielten. Statt dessen fragte ich einen einfachen Mann, der schadhafte Steine im Pflaster ersetzte. »Sag mir, Freund«, sprach ich ihn an, »wie komme ich zum Tempel von Nedra?«
»Ihr findet ihn auf der Südseite des kaiserlichen Palastes«, erwiderte er. »Geht diese Straße hinunter, und haltet Euch dann links.« Er schaute mich eine Weile an. »Ihr braucht Geld, um hineinzukommen«, sagte er.
»Ach?«
»Das ist seit neuestem so üblich. Man muß dem Priester an der Tür Geld geben, um hineinzukommen – und einen anderen Priester bezahlen, um in die Nähe des Altars zu gelangen.«
»Seltsam.«
»Das ist Tol Honeth, Freund. Hier gibt es nichts umsonst, und die Priester sind ebenso gierig wie alle anderen.«
»Ich glaube, ich habe ihnen etwas zu bieten, das ihnen wichtiger ist als Geld.«
»Darauf würde ich nicht wetten. Viel Glück.«
»Ich glaube, du hast dort etwas verloren, Freund«, sagte ich und deutete auf den großen tolnedrischen Kupferpfennig, den ich herbeigeholt und neben seinem Knie hatte fallen lassen. Schließlich war der brave Mann mir behilflich gewesen.
Rasch steckte er die Münze ein – und blickte sich verstohlen um. »Hab Freude an deiner Arbeit«, sagte ich zu ihm und ging die Straße hinunter.
Der Nedra-Tempel glich einem Palast. Es war ein beeindruckendes Bauwerk aus Marmor, das die Wärme eines Mausoleums ausstrahlte. Die kleinen Bürger mußten draußen bleiben und in Nischen entlang der Mauer beten. Das Innere blieb jenen Leuten vorbehalten, die sich die Bestechungsgelder leisten konnten. »Ich muß den Hohenpriester sprechen«, sagte ich dem Geistlichen am Tor.
Er musterte mich verächtlich. »Das ist unter keinen Umständen möglich. Wie kannst du das auch nur fragen?«
»Ich habe dich nicht gefragt, ich habe es dir gesagt. Jetzt geh und hole ihn – oder mach mir Platz, und ich werde ihn selbst aufsuchen.«
»Verschwinde von hier!«
»Wir scheinen nicht sonderlich gut miteinander auszukommen, Freund. Laß es uns noch einmal versuchen. Mein Name ist Belgarath, und ich bin gekommen, um mit dem Hohenpriester zu sprechen.«
»Belgarath?« Er lachte höhnisch. »Es gibt niemanden, der so heißt. Verschwinde.«
Ich versetzte den Burschen einige hundert Schritt die Straße hinunter und betrat den Tempel. Ich hatte wirklich vor, mich mit dem Hohenpriester zu unterhalten, vor allem über die Unsitte, für den Besuch eines Gotteshauses Eintrittsgeld zu verlangen; nicht einmal Nedra hätte so etwas abgesegnet. Im Tempel wimmelte es von Priestern, und jeder von ihnen schien die Hand aufzuhalten. Ich vermied Auseinandersetzungen, indem ich einfach einen Glorienschein herbeiholte, der verwegen schief über einem Ohr schwebte. Ich war mir nicht sicher, ob in der tolnedrischen theologischen Lehre auch Heilige ihren Platz hatten, aber ich konnte mir der Aufmerksamkeit der Priester sicher sein – und ihrer bedingungslosen Zusammenarbeit. Und ich mußte nicht einmal dafür zahlen.
Der Hohepriester hieß Arthon. Er war ein dicklicher Mann in einem juwelenbesetzten Gewand. Er warf einen Blick auf meinen Heiligenschein und grüßte mich mit gedämpftem Enthusiasmus. Als ich mich vorstellte, wurde er sehr nervös. Es ging mich eigentlich gar nichts an, daß er sich nicht an die Regeln hielt, aber ich sah keinen Grund, ihn das wissen zu lassen. »Wir hörten von Euren Abenteuern in Mallorea, heiliger Belgarath«, sprudelte er hervor. »Habt Ihr wirklich Torak getötet?«
»Da hat Euch jemand Seemannsgarn gesponnen, Arthon«,
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