Belgarath der Zauberer
innerlich einen Messerstich versetzte.
Meine Tochter waren während Beldins Abwesenheit zu den Zwillingen gezogen. Der Liebreiz, der Beldaran bereits in die Wiege gelegt worden war, erblühte nun, und obwohl sie erst dreizehn Jahre alt war, war ihre Schönheit schon offensichtlich. Ihr Haar war flachsfarben; es war voll und sehr lang. Ein Blick in ihr Gesicht ließ einen die Welt vergessen, und sie bewegte sich mit der Anmut einer Gazelle.
»Vater!« rief sie, als ich das Turmzimmer betrat Ihre Stimme war klangvoll und voller Leben; es war eine Stimme, nach der man sich sehnte. Sie eilte auf mich zu und warf sich mir in die Arme. In diesem Augenblick verfluchte ich die vertanen zwölf Jahre, und meine Liebe zu ihr kam mit einemmal zurück und überwältigte mich beinahe. Tränenüberströmt lagen wir uns in den Armen.
»Nun, alter Wolf«, hörte ich eine beißend scharfe Stimme sagen, »wie ich sehe, bist du endlich an den Ort des Verbrechens zurückgekehrt.«
Ich zuckte zusammen. Dann nahm ich die Arme von Beldarans schlanken Schultern und drehte mich zu Polgara um.
21. K APITEL
eldaran war gewiß das schönste Mädchen, das ich je gesehen hatte; Polgara hingegen konnte man kaum als Schönheit bezeichnen. Ihr dunkles Haar war verfilzt, und Zweige und Blätter hatten sich darin verfangen. Sie war groß und dürr und fast so schmutzig wie Beldin. Ihre knochigen Knie waren verschrammt, die Fingernägel eingerissen und abgekaut Sie brauchte Jahre, um sich das Fingernagelbeißen abzugewöhnen. Von der weißen Locke an ihrer Stirn war nichts zu sehen, so schmutzig war ihr Haar. Ich bekam den Eindruck, daß sie absichtlich so verwahrlost herumlief. Polgara war freilich sehr scharfsichtig und erkannte wohl, daß ihre Schwester wesentlich besser aussah als sie. Aus irgendeinem Grund strengte sie sich besonders an, so häßlich wie möglich zu wirken. Es gelang ihr außerordentlich gut.
Ja, ich weiß. Zu ihrer Wandlung kommen wir später. Drängt mich nicht.
Ihr Äußeres war jedoch nicht schuld daran, daß unsere Wiedervereinigung so unangenehm verlief. Beldin hatte Polgara und Beldaran aufgezogen. Meine jüngere Tochter hatte es vermieden, sich Beldins Redeweise anzueignen; Polgara hingegen kannte jeden seiner Kraftausdrücke.
»Ich freue mich, dich wiederzusehen, Polgara«, grüßte ich sie und versuchte zu klingen, als ob ich es auch so meinte.
»Tatsächlich? Wollen mal sehen, ob wir das nicht ändern können. Braut man kein Bier mehr in Camaar? Bist du deshalb von dort fortgegangen?«
Ich seufzte. Das versprach ziemlich hart zu werden. »Sollten wir uns nicht einen Kuß geben, ehe wir das alles besprechen?« schlug ich vor.
»Ich rate dir, mir nicht zu nahe zu kommen, alter Mann. Ich mochte dich nicht als ich dich das erstemal sah, und ich habe meine Meinung nicht geändert.«
»Das ist jetzt alles vorüber.«
»Aber ja, natürlich. Bis dir das nächstemal Bierdunst in die Nase steigt oder dir ein Rock über den Weg läuft.«
»Hast du Geschichten über mich erzählt?« fragte ich Beldin.
»Ich habe nichts erzählt«, erwiderte er. »Pol hält sich selbst auf dem laufenden, was dein Tun angeht.«
»Halt den Mund, Onkel«, fuhr sie ihn an. »Der närrische Trinker braucht davon nichts zu wissen.«
»Da irrst du dich, Pol«, erwiderte ich. »Dieser närrische Trinker muß davon erfahren. Wenn du eine besondere Gabe hast, mußt du darin ausgebildet werden.«
»Nicht von dir, Vater. Von dir brauche ich nichts. Warum gehst du nicht zurück nach Camaar? Oder in den Wald der Dryaden? Die Paarungszeit steht bevor. Beldaran und ich sind ganz wild darauf, ein paar halbmenschliche Schwestern zu bekommen.«
»Achte darauf, was du sagst, Pol.«
»Warum? Wir sind Vater und Tochter, alter Mann. Wir sollten stets offen miteinander sprechen. Ich möchte nicht, daß du falsche Vorstellungen bekommst, was meine Meinung über dich angeht. Hast du dich schon mit einem Troll vergnügt? Oder mit einem Eldrakyn? Das wäre wirklich aufregend, nicht wahr?«
Ich gab auf und setzte mich. »Mach weiter, Pol«, forderte ich sie auf. »Du sollst deinen Spaß haben.«
Den hatte sie gewiß. Sie hatte jahrelang Zeit, diese beißenden Bemerkungen perfekt zu erlernen, und sie teilte sie wirklich gekonnt aus. Es war vielleicht ein Fehler gewesen, die Mädchen in Beldins Obhut zurückzulassen, denn Polgara war eine aufmerksame Schülerin gewesen. Einige Bezeichnungen, die sie mir an den Kopf warf, waren wirklich haarsträubend.
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