Belgarath der Zauberer
Meister.«
»Was studierst du zur Zeit, mein Sohn?«
»Ich untersuche das Wesen der Berge, Meister.«
»Laß dieses Studium ruhen, Belgarath, und studiere statt dessen diesen Mann. Vielleicht erweckt dieses Studium freundlichere Gefühle für deine Mitmenschen in dir.«
Ich erkannte den Tadel, und deshalb widersprach ich nicht »Wie Ihr wünscht, Meister«, fügte ich mich voller Bedauern. Ich hatte das Geheimnis der Berge beinahe erforscht, und ich wollte nicht, daß mir das Ziel wieder entglitt, das unmittelbar vor mir lag. Dann aber erinnerte ich mich der Geduld, die mein Meister mir gegenüber gezeigt hatte, als ich ins Tal kam, und ich schluckte meinen Unwillen hinunter – zumindest hier, direkt vor ihm.
Ich war allerdings weitaus weniger liebenswürdig, kaum daß Zedar und ich die Turmstube verlassen hatten. Offen gestanden, machte ich dem armen Mann das Leben zur Hölle, und ich schäme mich dafür. Ich erniedrigte ihn, schimpfte ihn aus, trug ihm die schwierigsten Aufgaben auf und lachte hämisch über seine oft vergeblichen Bemühungen. Ich hoffte, daß er, derart schlecht behandelt, aufgeben und uns verlassen würde.
Aber er blieb. Er ertrug all meine Beleidigungen mit einer Gelassenheit, die mich geradezu rasend machte. Hatte der Mann denn überhaupt kein Rückgrat? Um die Sache jedoch gänzlich auf die Spitze zu treiben – was mich zutiefst demütigte –, entdeckte er das Geheimnis von Wissen und Wort innerhalb von sechs Monaten. Mein Meister nannte ihn Belzedar und nahm ihn als Schüler an.
Nach einer Weile schlossen Belzedar und ich Frieden miteinander. Ich sagte mir, wenn wir schon die nächsten Jahrhunderte gemeinsam verbringen mußten, könnten wir auch lernen, miteinander auszukommen. Offen gestanden, war er gar kein so übler Bursche, wenn man über seinen Hang zur Übertreibung und zu der geschwollenen Ausdrucksweise hinwegsah. Er konnte außerordentlich schnell Zusammenhänge erkennen, und er war höflich genug, mich nicht merken zu lassen, daß ich es ihm darin nicht gleichtun konnte.
Wir drei – unser Meister, Belzedar und ich – lernten schließlich, in Frieden miteinander zu leben.
Dann kamen nach und nach die anderen. Kira und Tira, die Zwillinge, waren Alorner Hütejungen, die sich verlaufen hatten und auf diese Weise ins Aldurtal gelangt waren – und dort blieben. Sie waren sich so sehr verbunden, daß sie stets dasselbe dachten und einer sogar die Sätze des anderen beendete. Obwohl sie dem Volk der Alorner angehören, sind Belkira und Beltira die sanftmütigsten Männer, denen ich jemals begegnet bin. Ich habe die beiden wirklich ziemlich gem.
Als nächster traf Makor bei uns ein. Er kam von so weit her, daß ich nicht begreifen konnte, wie er jemals von meinem Meister erfahren hatte. Im Gegensatz zu uns, die wir mit abgetragenen Kleidern hier angelangt waren, trug Makor, als er durch das Aldurtal schlenderte, einen Seidenmantel und ein Gewand, das zu der Zeit in Tol Honethite in Mode war. Er war ein geistreicher, städtischer, gebildeter Mann, und ich mochte ihn sogleich.
Unser Meister befragte ihn kurz und entschied, daß er geeignet sei
– mit allen üblichen Einschränkungen. »Aber Meister«, protestierte Belzedar heftig, »er kann sich unserer Bruderschaft nicht anschließen. Er ist Dalaser – einer der Gottlosen.«
»In Wahrheit bin ich Melcener, alter Knabe«, verbesserte Makor ihn auf seine überzivilisierte Art und Weise, und das brachte Belzedar jedesmal auf die Palme. Versteht ihr nun, warum Makor mir auf Anhieb sympathisch war?
»Was macht das schon für einen Unterschied?« fragte Belzedar barsch.
»Das ist ein himmelweiter Unterschied, alter Knabe«, erwiderte Makor und begutachtete dabei seine Fingernägel. »Wir Melcener haben uns vor so langer Zeit von den Dalasern getrennt, daß wir ihnen nun ebensowenig gleichen wie die Alorner den Maragern. Abgesehen davon, berührt Euch das nicht. Ich wurde gerufen, wie ihr alle, und damit hat es sich.«
Ich erinnerte mich an das seltsame Verlangen, das mich veranlaßt hatte, aus Gara fortzugehen, und warf meinem Meister einen forschenden Blick zu. Glaubt ihr mir, daß er es tatsächlich fertigbrachte, ein wenig verlegen zu wirken?
Belzedar murmelte noch ein bißchen vor sich hin, aber da er ohnehin nichts unternehmen konnte, unterdrückte er seine Einwände.
Als nächster kam Sambar zu uns, ein Angarakaner. Sambar – oder Belsambar, wie er später hieß – war natürlich nicht sein wirklicher Name.
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