Belgarath der Zauberer
sollten wir die Tolnedrer nicht beunruhigen, indem wir ihre Geschäfte am Strand von Riva schließen. Wir brauchen ihre Legionen; deshalb will ich Ran Borune nicht verärgern. Uns wird genug Zeit bleiben, das Meer der Stürme mit Kriegsschiffen zu übersäen, wenn Torak seinen Zug macht, und Beldin wird uns rechtzeitig darüber in Kenntnis setzen.«
»Ich wünschte, wir wüßten mehr.«
»Ich auch. Aber wir haben zumindest genug, um anzufangen. Übrigens solltest du auch Ormik von Sendarien warnen.«
»Das ist nicht Euer Ernst!«
»Auch die Sendarier leben hier, Eldrig.«
»Kohlzüchter eignen sich nicht zum Kämpfen.«
»Mag sein. Aber wenn sich alles so entwickelt, wie ich hoffe, werden wir vielleicht von Zeit zu Zeit durch Sendarien ziehen müssen. Deshalb sollten wir Ormik nicht vor den Kopf stoßen.«
»Wie Ihr wollt, Altehrwürdiger.« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. König Eldrig hatte graues Haar, aber das Lächeln, das jetzt sein Gesicht überzog, war erstaunlich jugendlich. »Darauf haben wir gewartet, nicht wahr, Belgarath?« sagte er dann.
»Darauf- und wahrscheinlich noch auf anderes.«
»Das eine ist für jetzt genug. Ich möchte nicht gierig erscheinen. Seit den Zeiten Bärenschulters warten wir darauf. Das genügt mir.«
»Wir werden nach dem Krieg darüber reden, wie glücklich wir waren, Eldrig. Der letzte Krieg war nicht so angenehm, erinnerst du dich? Bereite deine Leute vor, und greife in deine Schatztruhe. Du mußt Schiffsbauer anheuern. Vielleicht brauche ich mehr Kriegsschiffe.«
»Vielleicht gewährt Ran Borune mir ein Darlehen«, sagte er.
»Darauf würde ich mich nicht verlassen, und seine Zinsforderungen würden dir auch nicht gefallen. Fang an, Eldrig. Wir bleiben in Verbindung.«
Ich verließ Val Alorn und flog in südöstlicher Richtung nach Al-durford, um mit Polgara zu sprechen. Ihr Haus lag in der Nähe der Furt; deshalb schlenderte ich durch die Stadt zum Fluß. Abgesehen von der Feste, ist Aldurford die einzige Stadt in Algarien, und das sieht man auch. Algarer haben eine ungefähre Vorstellung davon, wie eine Stadt auszusehen hat. Gerade Straßen sind ihnen fremd, und die Bürger von Aldurford bauten ihre Häuser dorthin, wo es ihnen gefiel. Deshalb wurde es zu einer gewissen Herausforderung, jemanden zu finden.
Schließlich entdeckte ich Pols Haus und klopfte an die Tür. Sie öffnete sofort. Wie gewöhnlich trug sie ein blaues Kleid, und sie grüßte mich auf die ihr eigene, huldvolle Weise. »Wo warst du?« wollte sie wissen. »Ich warte jetzt schon seit zwei Wochen auf dich.«
»Ich mußte mit den Alornern sprechen.« Ich blickte an ihr vorbei in die Küche. Dort saß ein Junge von etwa sieben Jahren am Tisch. Es war nicht schwer, ihn zu erkennen, denn alle Nachkommen Eisenfausts sahen sich sehr ähnlich. Er hatte dasselbe sandfarbene Haar und den ernsten Gesichtsausdruck, den auch all die anderen Jungen hatten. Bei ihm am Tisch saß eine melancholische algarische Frau mit langem, schwarzem Haar und schälte Kartoffeln. Ich wußte nie genau, was und wieviel Pol den verschiedenen Erben erzählt hatte; deshalb hielt ich es für das Beste, unter vier Augen mit ihr zu sprechen. »Laß uns Spazierengehen, Pol«, schlug ich vor. »Wir müssen einige wichtige Entscheidungen treffen.«
Sie warf einen Blick über die Schulter, nickte, holte sich ein Schultertuch und kam nach draußen.
»Was ist mit seinem Vater geschehen?«
»Er starb«, erwiderte sie kurz angebunden, und derselbe alte Kummer war in ihren Augen zu lesen.
»Wie heißt der Junge?«
»Garel. Er ist der Erbe.«
»Offensichtlich.«
Ich erkannte, daß sie nicht reden wollte; so schritten wir schweigend nebeneinanderher. Wir gingen am Flußufer entlang, bis wir die letzten Häuser weit hinter uns gelassen hatten. Die ständige grauschwarze Wolkendecke war für kurze Zeit aufgerissen. Die Sonne zeigte sich und ließ die Umgebung um etliches freundlicher wirken. Eine Brise kräuselte die Wasseroberfläche. Ich schaute auf den breiten Fluß hinaus und hatte plötzlich das Gefühl, schon einmal hier gewesen zu sein. Ich glaubte zu wissen, daß ich mich auf der anderen Seite des Flusses befunden und der lustige alte Knabe in dem wackeligen Karren mir aufgetragen hatte, Alorien aufzuteilen. Das mochte vor ungefähr neunundzwanzig Jahrhunderten gewesen sein, nachdem Cherek, seine Söhne und ich aus Cthol Mishrak zurückgekehrt waren.
»Was hast du?« fragte Pol neugierig.
Ich zuckte die Schultern.
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