Belgarath der Zauberer
verbrachte ihre Zeit damit, einen jungen Thronerben in irgendeinem Dorf oder einer Kleinstadt zu einem Handwerker auszubilden; wenn er dann erwachsen wurde, richtete sie ihm eine Werkstatt ein – ähnlich, wie sie mit Darion im fünfundvierzigsten Jahrhundert verfahren hatte. Ich fand nie heraus, woher sie das Geld für ihre geschäftlichen Aktivitäten nahm. Stets gab sie sich als Mitglied der Familie des jungen Mannes aus, als ältere Schwester, Base, sehr oft als Tante, und sogar ein oder zweimal als Mutter des jungen Mannes. Die Familien, die sie derart ins Leben rief, waren so unauffällig, daß durchziehende Reisende – oder reisende Angarakaner – sie gewiß nicht beachteten. Ich bin sicher, das alles war eine lästige Pflicht für sie, doch sie hatte sich freiwillig einverstanden erklärt, die Erben zu beschützen, und Pol hat einen ausgeprägten Sinn für Verantwortung.
Was ich dazu beitrug – nämlich, ihr Chamdar fernzuhalten –, war gewiß nur am Rande wichtig; aber ich glaube doch, daß es ein wenig half. Gelegentlich besuchte ich auch diese Familien, und manchmal sah ich in Cthol Murgos nach, was unsere Gegner vorhatten.
Die murgosische Gesellschaft gleicht keiner anderen auf der Welt, hauptsächlich deshalb, weil sie militärisch aufgebaut ist. Die Murgos haben keine Fürstentümer, sondern Militärdistrikte, denen ein General vorsteht. Da die Murgos von rassischer Reinheit besessen sind, halten sie den weiblichen Teil der Bevölkerung unter Verschluß, so daß man in den Straßen keine Frauen sieht – nur Männer in Kettenhemden. Über die Jahrhunderte hinweg reichten sich die militärischen Führer die falsche Krone von Cthol Murgos weiter. Auf diese Weise hatte es Goska-Dynastien gegeben, Cthan-Dynastien, Hagga-Dynastien und in neuerer Zeit Urga-Dynastien. Es spielte keine Rolle, wer auf dem Thron in Rag Goska saß, denn Ctuchik regierte Cthol Murgos von seinem Turm in Rak Cthol aus.
Die Zwillinge arbeiteten weiterhin an der Auswertung der Prophezeiungen, und Beldin beobachtete die Vorgänge in Mallorea. Bis zur Mitte des neunundvierzigsten Jahrhunderts verliefen die Dinge recht ereignislos. Es war eine dieser ruhigen Perioden, die manchmal die Geschichte der Welt prägen. Im Frühjahr 4850 gab es dann eine totale Sonnenfinsternis. Eine Sonnenfinsternis ist kein ungewöhnliches Ereignis; deshalb schenkten wir ihr zunächst auch keine größere Beachtung – jedenfalls zu Anfang nicht. Diese Sonnenfinsternis jedoch war einzigartig, denn sie schien eine klimatische Veränderung zu bewirken. Könnt ihr euch vorstellen, daß es fünfundzwanzig Jahre lang regnete? Wir sahen fast nie die Sonne.
Einige Monate nach der Sonnenfinsternis kehrte Beldin aus Mallorea zurück und überbrachte mir einige lange erwartete Nachrichten. Tropfnaß stapfte er die Stufen zu meiner Werkstatt hinauf. »Mistwetter«, brummte er. »Ich bin seit drei Monaten nicht mehr richtig trocken geworden. Hast du was zu trinken? Ich bin bis auf die Knochen durchgefroren.«
»Ich habe nichts im Haus«, sagte ich. »Warum gehst du nicht zu den Zwillingen?«
»Vielleicht später.« Er ließ sich auf einen Stuhl am Kamin fallen und zog die nassen Schuhe aus. »Es ist endlich geschehen, Belgarath«, sagte er und streckte seine Zehen aus.
»Was?«
»Das alte Brandgesicht hat Ashaba verlassen.«
»Wohin ist er gegangen?«
»Nach Mal Zeth. Wohin sonst? Er hat den Herrscher dort abgesetzt und persönlich die Regierungsgewalt über das malloreanische Reich übernommen.« Er nieste. »Du bist der Fachmann für Altangarakanisch. Was bedeutet das Wort?«
»König und Gott. Die Grolims haben sich dieses Begriffs in Korim bedient. Jetzt ist er wohl aus der Mode gekommen – vermutlich, weil Torak sich während der letzten drei Jahrtausende in Ashaba eingeschlossen hatte.«
»Brandgesicht hat also ein gutes Gedächtnis. Er nennt sich jetzt ›Kal Torak‹, und er vergewissert sich, daß jeder in Mallorea diesen Namen kennt.«
»Macht er mobil?«
»Noch nicht Er ist damit beschäftigt in Mallorea wieder die Freuden der Religion einzuführen. Seine frohe Botschaft lautet Gewalt. Die Grolims schlachten jeden ab, den sie erwischen können. In den Tempeln von Camat bis Gandahar steht das Blut knietief.«
»Wir sollten mit den Zwillingen sprechen. Vielleicht findet sich in den Mrin-Texten etwas darüber.«
»Du solltest auch wieder deine Schwanzfedern spreizen und die Alorner warnen.«
»Zunächst will ich den Mrin-Text
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