Belgarath der Zauberer
Das war ausgerechnet Belzedar! »Ich werde den Turm unseres Bruders bis zum Ende aller Tage stützen, wenn es sein muß.« Was für ein Gemüt dieser Mann hatte!
»Du hast mir meine Frage noch nicht beantwortet – keiner von euch!« knurrte Beldin. »Warum gebt ihr euch bei dieser Sache so große Mühe?«
»Das tun deine Brüder, weil sie dich so sehr lieben, mein Sohn«, sagte Aldur sanft, der uns unbeobachtet zugeschaut hatte. »Kannst du ihre Liebe denn nicht annehmen?«
Beldins häßliches Gesicht verzerrte sich plötzlich auf groteske Weise; dann brach er zusammen und weinte.
»Und das ist deine erste Lektion, mein Sohn«, sagte Aldur. »Du schenkst deine Liebe vorsichtig, auch wenn du sie hinter deiner rauhen Schale verbirgst. Aber du mußt auch lernen, Liebe nehmen zu können.«
Danach wurde alles ziemlich sentimental.
So schlossen wir uns zusammen und bauten Beldins Turm. Wir brauchten dazu nicht lange. Ich hoffe, Durnik lernt daraus, daß es nicht wirklich unmoralisch ist, unsere Fähigkeiten auch irdischen Dingen zu widmen, ungeachtet sendarischer Ethik.
Ich vermißte es ein wenig, meinen grotesken kleinen Freund um mich zu haben, aber ich muß zugeben, daß ich ohne ihn besser schlief. Was meine Beschreibung über sein Schnarchen betraf – sie war nicht übertrieben.
Nach dem Turmbau nahm das Leben im Aldurtal wieder seinen gewohnten Gang. Wir setzten unsere Studien über die Welt fort und lernten mehr über die Anwendbarkeit unseres seltsamen Talents. Ich glaube, es waren die Zwillinge, die herausfanden, daß wir allein durch Gedanken in Verbindung miteinander treten konnten. Es mußte einer der Zwillinge gewesen sein – oder sogar beide –, denn sie teilten ihre Gedanken schon seit dem Tag ihrer Geburt. Beldin entdeckte, wie man die Gestalt anderer Wesen annehmen konnte. Ich kann mich so genau daran erinnern, weil er mich damit so sehr erschreckte, daß es mich gewiß mehrere Jahre meines Lebens kostete. Ein riesiger Falke mit leuchtend blauen Federn am Schwanz segelte heran, setzte sich auf mein Fensterbrett und wurde zu Beldin. »Was sagst du dazu?« wollte er wissen. »Es funktioniert tatsächlich.«
Ich hatte gerade einen Schluck aus einem Bierkrug genommen. Der Krug fiel mir aus der Hand, und ich erstickte beinahe am Bier, während Beldin mir auf den Rücken klopfte.
»Was denkst du dir eigentlich dabei?« fragte ich, als ich wieder Luft holen konnte.
Er zuckte mit den Achseln. »Ich habe Vögel studiert«, erklärte er. »Dabei kam ich auf den Gedanken, daß es ganz nützlich wäre, Abwechslung mal aus ihrer Warte zu betrachten. Fliegen ist nicht so einfach, wie es aussieht Ich hätte mir fast den Hals gebrochen, als ich mich zum erstenmal aus meinem Fenster stürzte.«
»Du Idiot!«
»Aber ich hab’s geschafft, meine Flügel richtig zu gebrauchen, ehe ich auf dem Boden aufschlug. Man weiß nicht, ob man es kann, ehe man es versucht hat.«
»Wie ist es denn? Das Fliegen, meine ich.«
»Ich könnte es nicht einmal ansatzweise beschreiben«, erwiderte er mit verklärtem Ausdruck in seinem häßlichen Gesicht. »Du solltest es versuchen. Ich kann allerdings nicht empfehlen, aus irgendwelchen Fenstern zu springen. Manchmal beachtet man die Kleinigkeiten nicht genau genug. Wenn du deine Schwanzfedern nicht in die richtige Position bringst zum Beispiel, brichst du dir den Schnabel.«
Beldins Entdeckung kam zu einer günstigen Zeit. Nicht lange danach sandte unser Meister uns aus dem Tal. Wir sollten nachsehen, was aus dem Rest der Menschheit geworden sei. Das muß etwa fünfzehnhundert Jahre gewesen sein, nachdem ich ihn in jener stürmischen Winternacht zum erstenmal getroffen hatte.
Nun, mit Flügeln kommt man rascher von Ort zu Ort als zu Fuß. Beldin unterwies uns, und bald flatterten wir wie eine Schar Zugvögel durchs Tal. Ich gebe es lieber gleich zu, daß ich nicht sehr gut fliege. Polgara bringt dieses Thema von Zeit zu Zeit zur Sprache. Ich glaube, sie hält es in Reserve, für den Fall, daß ihr nichts anderes zu nörgeln einfällt Wie dem auch sei – Beldin brachte uns das Fliegen bei, und wir verstreuten uns in alle Himmelsrichtungen, um festzustellen, wie es den Menschen erging. Abgesehen von den Ulgonern, gab es kein Volk, das westlich von uns lebte, und ich kam mit ihrem neuen Gorim nicht so gut zurecht. Der ursprüngliche Gorim und ich waren gute Freunde gewesen, doch der jüngste schien ein wenig von sich eingenommen.
So flog ich statt dessen ostwärts und sah
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