Belgarath der Zauberer
deren Lage gut zu überlegen, und die Insel in der Mitte des Nedrane – ›der Fluß von Nedra‹ – schien der geeignete Standort für die Stadt. Das mag jetzt angemessen erscheinen; damals aber mußten die Siedler eine Menge Nachteile hinnehmen, als sie sich dort niederließen. Sie arbeiten nun schon seit fünftausend Jahren daran, die Zustände zu verbessern, und ich glaube, daß sie die meisten Falten ausgebügelt haben.
Als die Wölfin und ich jedoch zum erstenmal dorthin reisten, war die Insel ein feuchter, sumpfiger Ort, der häufig von Springfluten heimgesucht wurde. Die Siedler hatten einen ziemlich stabilen Wall aus Baumstämmen um die Insel errichtet, und die Häuser bestanden ebenfalls aus Stämmen und waren riedgedeckt – meiner Meinung nach ist das eine offene Einladung für eine Feuersbrunst. Die Straßen wanden sich schmal, krumm und schlammig zwischen den Gebäuden, und der ganze Ort stank wie eine offene Jauchegrube. Meine Begleiterin empfand das als äußerst unangenehm, denn Wölfe haben einen ausgesprochen gut entwickelten Geruchssinn.
Ich reiste hauptsächlich deshalb nach Tolnedra, weil ich die Anfänge der honethitischen Linie mitverfolgen wollte. Ich habe die Honethites nie wirklich gemocht. Sie haben eine übertrieben hohe Meinung von sich. Ich hielt noch nie viel von Leuten, die auf mich herabschauten. Diese Abneigung war vermutlich der Grund für mein recht schroffes Verhalten dem Vater des künftigen Bräutigams gegenüber, als ich ihm mitteilte, daß sein Sohn die Tochter eines Handwerkers heiraten müsse, dessen besondere Aufgabe es war, Feuerstellen zu bauen. Die Honethite-Familie mußte einfach einen Vorfahren haben, der mit der Verarbeitung von Stein vertraut war. Anderenfalls wäre das tolnedrische Reich nie entstanden, das wir später doch so dringend brauchten. Ich würde euch nicht mit alldem langweilen; ich will euch nur aufzeigen, wie grundlegend unsere Vorbereitungen damals waren. Wir setzten Dinge in Bewegung, die erst in Tausenden von Jahren Früchte tragen sollten.
Nachdem ich den Vater des Bräutigams genötigt hatte, in die Heiratspläne für seinen Sohn einzuwilligen, verließen die Wölfin und ich Tol Nedrane – mit der Fähre; denn damals gab es noch keine Brücken. Der Fährmann verlangte eine horrende Summe für dieÜberfahrt, wenn ich mich recht entsinne, doch er war schließlich Tolnedrer, und deshalb war das nicht anders zu erwarten.
Schließlich hatte ich alle Aufträge meines Meisters erledigt, und wir zogen ostwärts in die tolnedrischen Berge. Es war Zeit ins Tal zurückzukehren, und ich wollte nicht durch Ulgoland reisen. Ich wollte nicht einmal in die Nähe von Ulgoland kommen, ehe ich nicht herausgefunden hatte, was dort vorgefallen war. Als wir in den Bergen waren, ließen wir uns Zeit Meine Begleiterin vergnügte sich damit Kaninchen und Rehe zu jagen; ich aber ging auf die Suche nach der Höhle, von der unser Meister uns des öfteren erzählt hatte. Ich wußte, daß die Höhle in diesen Bergen zu finden war; deshalb nahm ich mir die Zeit nach ihr zu suchen. Ich hatte nicht vor, irgend etwas zu unternehmen, falls ich sie finden sollte; ich wollte lediglich den Ort besichtigen, an dem die Götter gelebt hatten, als sie die Erde schufen.
Um ehrlich zu sein, war das nicht das einzige Mal, daß ich nach der Höhle forschte. Jedesmal, wenn ich durch diese Berge kam, nahm ich mir für meine Erkundungen etwa eine Woche Zeit Das erste Heim der Götter zu sehen hätte mir schon gefallen.
Ich fand die Höhle natürlich nie. Da mußte schon Garion kommen
– viele, viele Jahre später. Dort sollte etwas Wichtiges geschehen, doch es betraf mich nicht.
Beldin war aus Mallorea zurückgekehrt als die Wölfin und ich wieder ins Tal gelangten, doch Belzedar war nicht bei ihm. Ich hatte ihn während des letzten Jahrhunderts vermißt meinen häßlichen kleinen Bruder. Es war schon eine besondere Beziehung, die uns verband, und obwohl es vielleicht seltsam erscheint genoß ich seine Gesellschaft.
Ich berichtete unserem Meister von meinem Erfolg, und dann erzählte ich ihm, was wir in Ulgoland vorgefunden hatten. Er schien so verblüfft, wie auch ich es gewesen war.
»Ist es möglich, daß die Ulgoner etwas getan haben, das ihren Gott beleidigte, Meister?« fragte ich ihn. »Etwas so Ernstes, daß er beschloß, sich von ihnen abzuwenden und die Ungeheuer wieder loszulassen?«
»Nein, mein Sohn«, erwiderte Aldur und schüttelte sein silbernes Haupt »Das würde
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