Bell ist der Nächste
wollte im College ein Mädchen kennenlernen, so wie mein Vater, und ich wollte sie heiraten und eine Familie gründen.
Das habe ich Floyd erzählt, und er hörte zu, und schließlich sagte er: ›Das hört sich nach einem sehr ehrbaren Leben an, Mr Bell.‹ Und soweit ich das beurteilen konnte, meinte er das auch so. Er machte sich nicht über mich lustig. Er stellte den Wert dessen, was ich wollte, nicht infrage. Aber ich tat es.
›Es klingt nach einem sehr gewöhnlichen Leben‹, sagte ich.
Ein mildes Lächeln trat langsam auf sein Gesicht. ›Es ist nichts falsch an einem gewöhnlichen Leben.‹
Und dann hatte er mich geködert, obwohl ich das noch nicht wusste. Ich sagte: ›Na ja, ich möchte einfach noch etwas mehr.‹
Er lachte, aber auch sein Lachen war milde. ›Sie müssen aufpassen, Mr Bell‹, sagte er. ›Das macht man nicht mal so eben – sich ein außergewöhnliches Leben wünschen.‹
An dem Abend sagte er nichts mehr dazu. Erst später erzählte er mir von den Rosebears – zwei Brüdern, die man fälschlicherweise des Mordes an einer Frau in Ohio angeklagt hatte. Erst später fand ich heraus, was er mit einem ›außergewöhnlichen Leben‹ meinte – dass er wollte, dass ich ihm bei einem Bankraub helfe, um den Brüdern einen guten Verteidiger zu ermöglichen. Sie sollten nicht der Gnade eines überarbeiteten, vom Gericht bestellten Pflichtverteidigers ausgeliefert sein. Als Floyd mir das erzählte, dachte ich, er wäre völlig übergeschnappt, und machte daraus keinen Hehl.
Er lächelte wieder. ›Ich bin sicher, Sie haben recht, Mr Bell. Ich hätte Sie nicht fragen sollen. Denken Sie nicht mehr daran.‹«
Bell strich mit der linken Hand über den Ahorntisch. »Floyd hat es nicht wieder erwähnt«, sagte er, »und nicht lange danach war er wieder fort, an einem anderen College. Aber er hat mir eine Telefonnummer dagelassen, damit wir in Kontakt bleiben konnten. Denken Sie nicht mehr daran, hatte er gesagt, aber natürlich tat ich das. Eines Abends rief ich ihn an, und wir redeten schließlich darüber – rein hypothetisch. Über die Moralität des Ganzen. Wir meinten, da das Geld, das die Leute auf der Bank haben, versichert ist, würde niemand wirklich etwas verlieren. Und niemand würde dabei verletzt werden – darin waren wir uns einig. Wir würden Waffen mitbringen, um die Bankangestellten zu erschrecken, aber allerhöchstens würden wir mal in die Luft schießen. Wir würden niemanden ernsthaft verletzen. Und für die Rosebear-Brüder ging es um Leben und Tod – das sagte Floyd immer wieder. Ich weiß jetzt, dass er nicht ein Wort davon ernst meinte, er hatte immer vor, das Geld für sich selbst zu behalten. Aber ich wollte es glauben. Und irgendwann im Laufe der Zeit wurde aus etwas, über das Floyd und ich bloß redeten, etwas, das wir tatsächlich tun würden.«
Bell zuckte mit den Schultern und schloss die Augen, um mich wissen zu lassen, dass er mir alles erzählt hatte, was er erzählen konnte. »Ich war zwanzig«, sagte er noch einmal, »und ich wollte etwas mehr als ein gewöhnliches Leben. Was nichts anderes heißt, als zu sagen, dass ich ein Idiot war.«
Er öffnete die Augen wieder und sah mich an. »Aber deswegen sind Sie doch gar nicht gekommen.«
Nein, damit hatte er recht. Ich begriff, dass ich es hinauszögerte, weil ich nicht wusste, wo ich anfangen sollte. Ich betrachtete ihn über den Tisch hinweg. »Wir müssen über Lucy Navarro reden.«
»Ich weiß nicht, ob ich Ihnen dazu etwas sagen kann«, sagte er. »Ich kenne sie eigentlich nicht.«
»Sie hat Ihnen letzte Woche das Leben gerettet«, erinnerte ich ihn, »draußen vor dem Eightball Saloon.«
Er betrachtete seine linke Hand, als fiele ihm alles gerade erst wieder ein. »Das ist wahr, aber ich habe an dem Abend nicht mit ihr gesprochen. Ich habe eigentlich nie richtig mit ihr gesprochen.«
»Ich weiß, dass sie versucht hat, ein Interview mit Ihnen zu machen – über das, was in der Great Lakes Bank passiert ist.«
»Sie hat es versucht. Aber ich gebe keine Interviews.«
»Sie hat mit Terry Dawtrey und Henry Kormoran gesprochen«, sagte ich. »Sie arbeitete an einer Story über den Great- Lakes-Bankraub. Und vor drei Nächten ist sie verschwunden. Jemand wollte nicht, dass sie diese Geschichte schreibt. Es könnte der fünfte Bankräuber gewesen sein. Der Fahrer des Fluchtautos.«
Bell schüttelte den Kopf. »Ich kann Ihnen hierbei nicht helfen.«
»Dawtrey behauptete zu wissen, wer der fünfte
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