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Belladonna

Belladonna

Titel: Belladonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bishop
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mit sich trug.
    Du bist fast zu Hause.
    Der Gedanke schien in der Luft zu schweben, schien mit jedem Atemzug in seinen Körper einzudringen. Du bist fast zu Hause.
    Er befand sich nicht einmal in der Nähe des Landes, in dem er geboren worden war. Und das ließ ihn sich fragen, was für Antworten er wohl von dem Mann bekommen könnte, der ihn gerade auf dem nächsten Schritt seiner Reise begleitete.
    Er war sich noch immer nicht sicher, ob Sebastian und Teaser ein Spiel mit ihm trieben. Oh, er konnte nicht abstreiten, dass dieser Teil der Welt weit seltsamer war als alles, was er sich je hätte vorstellen können, doch wie konnten Menschen als Menschen leben, wenn sie nicht wussten, wo sie lebten?
    »Yoshani«, sagte er zögernd. »Ich habe mich gefragt, ob Ihr wisst, was ein Land ist.«
    »Ich weiß, was ein Land ist«, antwortete Yoshani mit einem Lächeln. »Und ich verstehe, was eine Landschaft ist. In einem einzigen Land kann es viele Landschaften geben - und in einer einzigen Landschaft viele Länder.«
    Michael runzelte die Stirn. »Das ergibt keinen Sinn.«
    »Welcher Teil? Beide sind wahr, je nachdem, wie man die Welt betrachtet.«
    »Sie können nicht beide wahr sein. Die Welt -«
    »- ist fließend. Stets befindet sie sich im Wandel. Sie ist eine Spiegelung unserer selbst.«
    Dieser Gedanke war nicht angenehm - oder tröstlich. Nicht nach dem, was er in letzter Zeit gesehen hatte.
    »Deshalb bin ich täglich dankbar dafür, hier entlanggehen zu dürfen«, fügte Yoshani leise hinzu. »Dass dieser Ort einen Teil meines Herzens widerspiegelt.«
    Und einen Teil des meinen?, fragte sich Michael, beinahe überrascht davon, wie sehr er sich wünschte, es könnte wahr sein.
    Yoshani hob eine Hand und deutete in eine Richtung. »Dort ist der Weg. Es ist jetzt nicht mehr weit.«
    Ein paar Schritte lang stammte das einzige Geräusch von ihren Schuhen auf dem Pfad.
    »Wissen die meisten Menschen von dem … sonderbaren Verhalten der Welt?«, fragte Michael. »Ich habe nie jemanden in Elandar getroffen, der davon gewusst hätte.« Zumindest niemanden, der es zugegeben hatte, verbesserte er sich. Doch sie alle wussten von Menschen, die zwischen den Wachsteinen hindurchgegangen und für immer verschwunden waren. In eine andere Landschaft übergetreten waren. So hatten Sebastian und Teaser es erklärt. Funktionierten alle Wachsteine auf dieselbe Weise? Wie konnte es diese Brücken in Elandar seit Jahrhunderten geben, ohne dass jemand außer den Nachtschwärmern sich daran erinnerte, wie sie funktionierten?
    Vielleicht wollten sich die Menschen nicht erinnern. Vielleicht ist es an der Zeit für sie, sich wieder neu zu erinnern.
    »Es ist kein sonderbares Verhalten, Michael«, sagte Yoshani. »Es ist das Wesen Ephemeras.« Er blieb stehen und blickte auf das Land vor ihnen. »Und nein, die meisten Menschen verstehen unsere Welt nicht. Sie werden durch die Herzen der Landschafferinnen beschützt. Doch weil sie in dem Teil der Welt leben, den der Krieg zwischen Licht und Dunkel am stärksten zerrissen hat, gibt es hier viele Menschen, die die Wahrheit begreifen.«
    »Und was ist die Wahrheit?«
    Yoshani wandte sich um und legte eine Hand auf Michaels Brust. »Dass ganz gleich, wie viel man über die Welt und ihre Weite weiß, die einzigen Landschaften, die man wahrhaft sehen kann, jene sind, deren Resonanz die des eigenen Herzens teilen.« Er trat zurück. »Kommt. Die Grenzlinie liegt am Ende dieses Pfades.«
    Ein Schauer lief Michael den Rücken hinunter. Er hatte Yoshani ein paar Minuten, nachdem er die Brücke in die Heiligen Stätten überquert hatte, getroffen, und er hatte dem Mann auf Anhieb vertraut. Doch als er seine Absicht erklärt hatte, war in Yoshanis dunklen Augen etwas aufgeflackert. Das Flackern hatte an seinem Vertrauen in den Mann nichts geändert, doch es hatte ihn beunruhigt - vor allem, nachdem Yoshani erklärt hatte, er würde in einen anderen Teil der Heiligen Stätten übertreten müssen, um seine Reise fortzusetzen.
    Jetzt lag die Grenzlinie - und ein anderer Teil der Welt - am Ende des Pfades. Wenigstens lag Trost in dem Wissen, dass er die Heiligen Stätten nicht schon jetzt verlassen würde.
    »Was ist das?«, fragte Michael, als sie zur Statue eines otterähnlichen Wesens kamen, das aufrecht stand und einen offenen, bodenlangen Mantel oder eine Robe trug. Der Kopf der Statue reichte ihm bis an die Brust, was ihn an die Nachtschwärmer erinnerte, da sie ungefähr von gleicher Größe waren. Und

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