Belsazars Ende
Sherry.
Entschlossen nahm sie den Umschlag mit den Abzügen, die sie sich von den Atelierfotos hatte machen lassen, aus dem Handschuhfach, legte ihn auf den Beifahrersitz und fuhr los. Simona Lünterhoff konnte ihr viel erzählen! Sie wollte es doch gern vom Vater persönlich hören, daß er es völlig in Ordnung fand, wenn seine minderjährige Tochter für Pornofotos posierte und es sich, unter Alkohol und Kokain, von geilen alten Knackern besorgen ließ.
Toppe war recht zufrieden mit sich. Die Pressekonferenz war besser gelaufen als erwartet, dabei war er ziemlich unkonzentriert hineingegangen. Sein gestriges Gespräch mit Norbert rumorte noch ihn ihm und auch, daß Gabi heute morgen so getan hatte, als sei überhaupt nichts gewesen.
Er sammelte seine Papiere ein, ignorierte Siegelkötters stechenden Blick und verließ das Sitzungszimmer. Es reichte ihm vollkommen, wenn er Stasis bissige Kommentare auf der Teamsitzung ertragen mußte, die er für 16.30 Uhr angesetzt hatte.
Breitenegger saß an seinem Platz und telefonierte mal wieder mit den Düsseldorfer Kollegen. Sie hatten ihm das Protokoll der Vernehmung Christopher Hunolds rübergefaxt, und er schien damit gar nicht zufrieden zu sein.
Toppe wußte, wenn Astrid heute etwas Wichtiges herausfand, würde er selbst nach Düsseldorf fahren müssen, um mit Hunold zu sprechen und mit van Veldens anderen Freunden.
Van Appeldorn hatte er heute morgen nur ganz kurz gesehen. Der war verbissen in seine »Pennertheorie«, hatte heute früh mit der Firma Puma telefoniert und herausgefunden, daß das fragliche Schuhmodell damals nur in Weiß hergestellt worden war. Er saß jetzt sicher noch über alten Vernehmungsprotokollen und der Kartei und suchte sich die Personen raus, die von der Schuhgröße her in Frage kommen konnten.
Der ED stand unter Hochspannung: Man durfte Berns nicht einmal antippen, ohne daß er Gift und Galle spie, und van Gemmerns Gesicht war wie aus Stein gehauen. Die beiden hatten sich vorgenommen, bei der Teamsitzung alle Untersuchungsergebnisse vorzulegen.
Toppe selbst hatte um dreizehn Uhr einen Termin mit dem Stadtarchivar; blieben ihm noch anderthalb Stunden.
Er telefonierte nach einem Dienstwagen, packte sich van Veldens »Lageplan« und die stadtgeschichtlichen Bücher unter den Arm, nickte Breitenegger kurz zu und machte sich auf den Weg zu Kleves Auto- und Gebrauchtwagenhändlern.
Es half nichts, ohne Auto ging es nun mal nicht. Mußte er eben sein Konto überziehen. Vielleicht konnte er ja auch einen Wagen leasen oder einen günstigen Kredit aufnehmen. Es behagte ihm alles nicht. Schon jetzt war es schwierig genug, die monatliche Rate für das Haus aufzubringen.
Der Chefredakteur war sehr beschäftigt, aber selbstverständlich nahm er sich für die Polizei ein paar Minuten Zeit.
Er war ein schlanker Mann von ungefähr fünfzig Jahren mit einem Windhundgesicht. Die Augen hinter der runden Nickelbrille waren schmal und standen leicht schräg. Das graue Haar hatte er straff nach hinten gekämmt, was seine niedrige Stirn ungünstig betonte.
Astrid legte ihm ohne große Einleitung die Fotos auf den Schreibtisch.
Er war peinlich berührt, das spürte sie, gab sich aber alle Mühe, sich das nicht anmerken zu lassen.
»Solche Fotos sind natürlich Geschmacksache«, meinte er leichthin. »Selbstverständlich wußten wir, daß Roderik sich auch mit erotischer Kunst beschäftigte. Wissen Sie, unsere Familie ist seit vielen Jahren gut mit ihm bekannt. Simona kennt ihn quasi schon von Kindesbeinen an.«
Er lächelte weltgewandt. »Ich habe bisher noch gar nicht darüber nachgedacht, aber eigentlich – immerhin arbeitet Simona seit mehr als zwei Jahren bei den verschiedensten Projekten als Modell – eigentlich ist es doch nur natürlich, daß er auch in dieser Hinsicht mit ihrem Körper experimentierte, als Kunstobjekt, versteht sich.«
Astrid konnte die Formulierung kaum fassen. »Wußten Sie, daß ihre Tochter mit ihm schlief?«
Er hob die Brauen, daß sie fast den Haaransatz berührten. »Nein, das wußte ich natürlich nicht.« Dann lächelte er väterlich. »Wir haben selbstverständlich bemerkt, daß sie sich in letzter Zeit ein wenig in ihn verliebt hatte.. Immerhin, sie ist eine junge Frau, und Roderik war ein Mann in den besten Jahren.«
»Sie ist nicht einmal volljährig«, sagte Astrid steif. Seine Augen wurden noch schmaler. »Ich bin nicht der Ansicht, daß sich Reife in Lebensjahren messen läßt. Meine Frau und ich haben
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